Die Autorin Claudia C. Cebulla, Jahrgang 1947, war 40 Jahre Lehrerin an Grund- und Hauptschulen. In dieser Zeit bildete sie sich fort zur Beratungslehrerin und studierte dann berufsbegleitend Psychologie. Danach arbeitete sie als Schulpsychologin am Schulamt und war weiterhin als Lehrerin tätig.
Durch einen Zeitungsartikel stieß sie 2022 auf den Namen Johanna Haarer, den sie in ihrer Kindheit oft gehört hatte. Haarer war Autorin des Buches „Die deutsche Mutter und ihr erstes Kind“, das erstmals 1933 erschienen war. Ziel dieses „Erziehungsratgebers“ war die Formung eines gehorsamen, empathielosen Menschen, ganz im Sinne der nationalsozialistischen Ideologen. Die Befolgung dieser Erziehungsmethoden führte zu verheerenden seelischen Schäden, die von Säuglingen nicht erinnert werden können, da das bewusste Gedächtnis in diesem Alter noch nicht ausgereift ist. So werden Traumata unbewusst an die nächsten Generationen weitergegeben, ohne dass sie verarbeitet werden können.
Die Autorin schildert diese Erziehungspraktiken und ihre Auswirkungen anhand einer Familiengeschichte im Zusammenhang mit den historischen Gegebenheiten. So steht das Schicksal der Protagonistin Ottilie Rosenbaum nicht als Einzelfall da, sondern steht stellvertretend für viele weitere Schicksale, die unter den Auswirkungen der nationalsozialistischen Ideologie und Erziehungsmaximen bis heute leiden, ohne eine Erklärung dafür zu finden.
Betroffene können sich so selbst auf den Weg machen und in den Splittern eines Kaleidoskops nach eigenen/individuellen Lösungsmöglichkeiten suchen.
Im Buch werden zunächst Erlebnisse mit sieben Schleiern oder Tüchern geschildert, stellvertretend für Gefühle und Zustände, die im Zusammenhang mit den rigiden Erziehungsmethoden von Johanna Haarer stehen und die im Leben von Ottilie eine große Rolle spielen.
• An erster Stelle steht Ekel als Warnzeichen, um sich vor Übergriffen zu schützen und bedrohliche Situationen zu vermeiden.
• Die Folgen von Hilflosigkeit zeigen sich bei einem mehrwöchigen Aufenthalt Ende der 50er Jahre in einem Kinderheim.
• Missachtung wird geschildert anhand eines verstörenden Krankenhausaufenthalts Anfang der 50er Jahre.
• Der Zustand ständiger Überwachung zeigt, wie die Freude am eigenen Körper zerstört werden kann.
• Abhängigkeit steht für viele Fehlentscheidungen bis hin zur problematischen Berufswahl und mangelndem Durchsetzungsvermögen.
• Dem gegenüber steht Neugier für positive Erlebnisse und wichtige Lebenserfahrungen in einem anderen Land.
• Schließlich ermöglicht die Erfahrung von Zuneigung und Akzeptanz die Meisterung auch schwieriger Situationen, wie Depression mit Suizidgedanken, was aber letztlich in einen unzerstörbaren Optimismus mündet.
„Kaleidoskop – Splitter einer Familiengeschichte“, Claudia C. Cebulla, Taschenbuch, 396 Seiten, (22,99 €) oder Kindle (12,99 €), ISBN 978-3819244919