Bunte Steine – Jubiläumsjahr 2025 im Museum Georg Schäfer

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Ausstellungen
Eduard Schleich d. Ä.: „Felsen im Gebirge“, 1830 © Museum Georg Schäfer, Schweinfurt, Foto: Matthias Langer

Das 19. Jahrhundert verstand es noch, sich zu vertiefen, sich ohne Beachtung der Zeitdauer in einer Sache zu versenken; visuell und geistig. Was lange betrachtet, gewürdigt oder gar erforscht wurde, das galt es nach tiefer Erfassung in eine Beziehung zum Ganzen, zu den Gesetzen der Natur oder zumindest in Einklang zu den moralisch-göttlichen Gesetzen zu bringen. Das Mysteriöse, das Okkulte hatte seit der Aufklärung zu entfallen und lebte in der „schwarzen Romantik“ doch weiter. Noch fand alles ohne KI statt. Der Mikrokosmos eines Käfers im Hausgarten oder eines bunten Steins am Feldweg hatte im Makrokosmos in ein Funktionssystem der Erde zu münden. Ein solches schlug etwa Carl von Linné mit seinen „Systema Naturae“ genannten Forschungsergebnissen vor. Seine botanische und zoologische Taxonomie verdrängte bald alle anderen Theorien zu den Familien- und Arten-Stammbäumen der Pflanzen- und Tierwelt.

Der Tagesablauf war bis zur Industrialisierung der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts von einer auf landwirtschaftlichen Erträgen basierenden Staatsökonomie geprägt. Selbst in den größeren Städten war der Arbeitsalltag vom Wetter, der Außentemperatur und vor allem den Jahres- wie auch den Tageszeiten abhängig. Natürliche Helligkeit ermöglichte und begrenzte das Arbeiten auf die Stunden zwischen Sonnenauf- und -untergang – auch wenn im Bergbau, in Pfarrhäusern, in Schlössern und Gasthäusern bereits künstliches Licht zum Einsatz kam. Die bürgerlichen Mußestunden setzten mit der Abenddämmerung ein. Es gab kein Internet, keinen Streamingdienst oder wenigstens ein Fernsehprogramm, kein Radio. Es wurde viel gelesen, aber auch betrachtet. Es wurde gesammelt, aber auch gezeichnet. In Skizzenbüchern und in Zettelkästen. Pfarrhäuser und Gelehrtenstuben mutierten zu Forschungsstätten: Zu welcher Art gehörte diese blau gepunktete Blume, aus was besteht dieser rötlich schimmernde Feldstein? Unzählige Samen aus Wald und Flur, aus Nutzobst und Wildfrüchten wurden gemustert. Was gesammelt in den Schachteln lag, wurde auch inventarisiert. Briefe teilten den Fund mit, Briefe bestätigten oder widerlegten kühne Thesen. Das geistige Europa war auch auf anderen Kontinenten ein Forschendes, Einordnendes. Die seit dem 16. Jahrhundert betriebene Kolonialisierung und ihre negativen Folgen überdecken diesen Faktor. Ob mit Alexander von Humboldt literarisch in die Anden gereist wurde oder mit interessierten Freunden in die neuen „Schweizen“ Deutschlands gewandert wurde, hing von der Reisekasse und der Wanderlust ab. Dabei wurde auch in der fränkischen, sächsischen oder holsteinischen Schweiz der Hunger nach wissenschaftlich Neuem verknüpft mit Frohsinn und einer weite Kreise erfassenden Popularisierung: „Im Frühtau zu Berge wir ziehen… „. Neuen Thesen, etwa denen von der Entstehung der Erdkruste ging man sonntags bei Ausflügen durch Wald und Wiesen oder bei Reisen in Kurbäder mit heißen Quellen und blubbernden Mooren nach. Besonders die neuen Erkenntnisse in Geologie und Morphologie verhießen dabei spannende Entdeckungen, denn bekanntlich liegen die meisten Quellbäder in „geologisch aktiven“ Gegenden. Und alle diese schaurigen Gebirge mit ihren Felsschluchten und merkwürdigen Gesteinsformationen: Entstanden sie gemäß der Theorien von Neptonismus oder Vulkanismus? Die moderne Plattentektonik war als These noch nicht formuliert.

Dass die bildende Kunst sich diesen Fragen und Diskussionen ihrer Zeit nicht entzog, wird beim Gang durch die zweite Jubiläumsausstellung 2025 im Museum Georg Schäfer recht deutlich. Da geht es bei Julius Schnorr von Carolsfeld um Frauen, die zum Zweck der Heilung mit Mesmers „Animalischen Magnetismus“ in Hypnose versetzt wurden und beim Reden die Augen verdrehen. Oder um scheinbar nichtssagende Steine, die Eduard Schleich mal eben auf das Papier bannte. Um Zeichner, die vor einem Felsüberhang sitzen, während sich neugierige Touristen dem Motiv ebenfalls nähern. Aber es geht in den Zeichnungen und Aquarellen auch um eine neue, nunmehr betont bürgerliche Vorstellung von Familie, um eine endlich kindgerechte Erziehung der Stammhalter, ja selbst um die kleine Welt der vielen Gegenstände in den Appartements von preußischen Königen und Königinnen. Es handelt sich um deren Rückzugsräume, um komfortable Zellen des Privaten inmitten ihres ansonsten zur Schau gestellten öffentlichen Lebens. Und wo bleibt die Romantik mit ihren stimmungsvollen Landschaften, den Sonnenauf- und -untergängen? Sie ging nicht verloren, sie dominierte bis in unsere Zeit hinein die Wahrnehmung der Natur, der Landschaft. Mangelnder Umweltschutz und Klimawandel lösen inzwischen neue Wahrnehmungsformen der Erde aus, schaffen neue Bilder jenseits der Romantik. Wer sich literarisch nochmals auf die Suche nach der verlorenen Zeit begeben mag, lese Adalbert Stifter und Gottfried Keller. Dort gibt es sie noch, die Erzählungen und Beschreibungen einer Welt voll „schöner Landschaften“. Sie sind bis heute existent, nur gelingt uns nur noch selten, sie mit den Augen des 19. Jahrhunderts zu sehen. Geschweige denn, sich in sie zu versenken. Für die Musik ist dieser Zugang noch offen, hört man, wie Bedrich Smetana „Aus der Heimat“ komponierte. Hier entfaltet sich die nordböhmische Landschaft in Tschechien für die Ohren. Man möchte sie aber auch hören, wenn Spitzweg den Schwansee zeichnet. Ein karges Gewässer – ohne Berge. Und ohne die Märchenschlösser von König Ludwig II. von Bayern.

Eduard Gärtner: „Grünes Zimmer im Berliner Schloss“, 1849
© Museum Georg Schäfer, Schweinfurt, Foto: Matthias Langer

Die Chance, die „Meisterwerke deutscher Zeichenkunst“ mit den Augen des 19. Jahrhunderts zu betrachten bietet sich bei den Kuratorenführungen mit Wolf Eiermann am Dienstag, 02. Dezember 2025 um 14 Uhr und um 18.30 Uhr. An diesem Tag gilt wieder freier Eintritt für das gesamte Museum.

Der letzte Beitrag im Rahmen der Vortragsreihe im Jubiläumsjahr eröffnet am Mittwoch, 10. Dezember 2025 um 18.30 Uhr noch einmal einen ganz besonders Blickwinkel auf „Drucke und Zeichnungen des 19. Jahrhunderts“: Die Restauratoren Uwe Golle und Carsten Wintermann von der „Klassik Stiftung Weimar“ beschäftigen sich mit „Aspekten der Alterung und Konservierung bei Arbeiten auf Papier“. Die Teilnahme ist kostenlos.

Speziell für die (Vor-)Weihnachtszeit haben wir für unsere Besuchenden ein erlesenes „Führungspaket“ geschnürt: Es beginnt am vierten Adventssonntag, 21. Dezember 2025 um 14 Uhr mit KUNST FÜR ERWACHSENE und „Adventsfee“ Anja Gareiß-Castritius, die durch die aktuelle Sonderausstellung führt. Zwar ist das Museum Georg Schäfer am ersten Weihnachtstag streng genommen geschlossen, doch öffnet unser „Weihnachtsengel“ Sandra Sembach am Donnerstag, 25. Dezember um 14 Uhr exklusiv die Türen für eine Sonderführung durch die Jubiläumsausstellung. Eine Teilnahme ist nur nach Voranmeldung möglich – es sind noch Plätze frei! Am zweiten Weihnachtstag, Freitag, 26. Dezember um 14 Uhr freut sich Sandra Sembach noch einmal darauf mit allen Interessierten die „Meisterwerke deutscher Zeichenkunst im 19. Jahrhundert“ zu entdecken.

Die Expertenführung durch die Sonderausstellung mit Ulf Dingerdissen am Sonntag 28. Dezember um 14 Uhr, ist zwar die letzte öffentliche Führung im Jahr 2025, doch ist unser „Weihnachts-Angebot“ damit noch lange nicht zu Ende: Zum Start des neuen Jahres findet am Donnerstag, 1. Januar 2026 um 14 Uhr ebenso eine öffentliche Führung durch die Jubiläumsausstellung statt wie am Sonntag, 4. Januar um 14 Uhr und an Dreikönig, Dienstag, 6. Januar um 14 Uhr und 18.30 Uhr.

Alle Veranstaltungen sind wie gewohnt unter www.museumsgeorgschaefer.de zu finden.

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