Zwischen Mythos, Ideal und Realität: Wir müssen über Mutterschaft sprechen!
Mutterschaft gilt auch im Jahre 2022 noch immer als das größte Glück und die wahre Erfüllung im Leben einer Frau: Mütter sind die Superheldinnen des Alltags, stets sanft, geduldig und liebevoll. Ein Kinderlächeln entschädigt sie für jegliche Mühen. Kein Wunder, dass dieses weichgezeichnete Ideal, das von allen Seiten suggeriert wird, Erwartungen weckt und sich jede Abweichung davon wie persönliches Scheitern anfühlt.
Die Autorin Jana Heinicke liefert in ihrem neuen Buch nun eine längst überfällige und zeitgemäße Analyse des Muttermythos, seines Ursprungs und seiner Auswirkungen – persönlich, gesellschaftspolitisch, tabulos und mit neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen.
„Aus dem Bauch heraus – Wir müssen über Mutterschaft sprechen“ ist ein feministisches Plädoyer für selbstbestimmtes Muttersein und ein Appell an Gesellschaft, Forschung und Politik: Mütter sind Menschen, keine Superheld*innen.
„Bis zur Geburt meines Kindes hatte ich keine Ahnung, was es bedeutet, Mutter zu werden“, schreibt Autorin Jana Heinicke, „Ich hätte dann ein Kind, klar. Aber ich hatte mir nie Gedanken darüber gemacht, in welchem enormen Ausmaß sich dessen Geburt auf meinen Körper, meine Psyche, meine Beziehungen und meine
gesellschaftliche Stellung – kurz, auf mich als Frau und eigenständigen Menschen auswirken würde.“ Und damit ist sie nicht allein: Viele Mütter finden sich nach der Geburt in diesem Spagat zwischen Ideal und Wirklichkeit wieder. Wenig überraschend, da das Bild der strahlenden Schwangeren und überglücklichen
frisch gebackenen Mutter nach wie vor die öffentliche Wahrnehmung dominiert.
Heute, drei Jahre später, hat die Autorin sich intensiv mit dem Thema befasst und teilt ihre umfangreichen Recherchen nun in einem erzählenden Sachbuch. Jana Heinicke berichtet offen über ihre persönlichen Erfahrungen mit Schwangerschaft, Geburt, und dem Versuch, in ihrer Beziehung Sorgearbeit gleichberechtigt aufzuteilen. Sie analysiert dabei nicht nur das gesellschaftspolitische Gefüge, in dem
Mutterschaft heute stattfindet, sondern zeichnet auf Grundlage neuester wissenschaftlicher Erkenntnisse ein umfassendes und ungeschöntes Bild dessen, was Menschen erwartet, wenn sie Mütter werden. Damit macht „Aus dem Bauch heraus“ auf eine immense Informations- und Wissenslücke aufmerksam und liefert
wichtige Denkanstöße für eine längst überfällige Debatte.
Denn: Warum ist allseits bekannt, dass man durch eine Schwangerschaft Dehnungsstreifen bekommen kann, wohingegen kaum jemand weiß, dass sich auch das Gehirn umstrukturiert und dauerhaft verändert?
Warum geht es in Schwangerschaftsratgebern immer nur ums Wohle des Kindes und nie darum, welchen Einfluss Elternschaft auf die psychische Gesundheit von Müttern hat? Gleicht ein Babylächeln wirklich auch die Rentenlücke im Alter aus? Hat man als Mutter versagt, wenn die Geburt nicht so abgelaufen ist wie
geplant und wenn man nicht sofort und ausschließlich glücklich ist, sobald das Baby auf der Brust liegt?
Warum spricht man beim Vater vom „helfen“, wenn er sich um sein Kind kümmert und erwartet gleichzeitig von Müttern ganz selbstverständlich, alles hintenanzustellen – selbst die eigenen körperlichen Grundbedürfnisse? Und warum müssen Mütter eigentlich stets versichern, dass sie ihre Kinder trotzdem
über alles lieben, sobald sie die Bedingungen kritisieren, unter denen Mutterschaft derzeit möglich ist?
„Aus dem Bauch heraus“ ist ein Buch nicht nur für Eltern, sondern für alle Menschen, die Mütter haben. Und für alle, die planen, Kinder zu bekommen – und das möglichst in einer gleichberechtigen Elternschaft. Denn zumindest in biologischen Elternschaften scheitern die meisten schon daran, dass die gebärende
Person durch Schwangerschaft, Geburt und ggf. Stillzeit in eine körperliche und psychische Vorleistung geht – die irgendwie ausgeglichen werden muss. Nur: Wie gleicht man paritätisch einen Dammriss aus? Oder die Konsequenzen einer Wochenbettdepression? Und wievielmal Klo putzen ist eigentlich einmal Stillen? Die
Frage, wie man Sorgearbeit und Mental Load wirklich gleichberechtigt aufteilen kann, ist noch lange nicht abschließend beantwortet. „Aus dem Bauch heraus“ ist daher auch ein leidenschaftliches Plädoyer für eine Umverteilung von (Entscheidungs-) Macht, Ressourcen und Verantwortlichkeiten und für eine echte
Wertschätzung von Sorgearbeit.
Die Autorin Jana Heinicke, 1986 in Berlin geboren, studierte Translation an der Universität Leipzig und Literarisches Schreiben an der Hochschule der Künste Bern. Sie schreibt Kinderbücher, Essays und Theatertexte. Für ihre Arbeit ist sie mehrfach ausgezeichnet worden, erhielt diverse Stipendien und reiste auf Einladung des Goethe-Instituts bis nach Mexiko. Seit sie 2019 Mutter geworden ist, bloggt sie auf Instagram über den Versuch, Kind und Kunst unter einen Hut zu bekommen. „Aus dem Bauch heraus. Wir müssen über Mutterschaft sprechen“ ist ihr erstes erzählendes Sachbuch. Jana Heinicke lebt mit ihrer Familie in Berlin.
Mutterschaft gilt gesellschaftlich noch immer als das größte Glück und die wahre
Erfüllung im Leben einer Frau. Kein Wunder, dass dieses hohe Ideal Erwartungen
weckt und dass uns jede Abweichung davon wie Scheitern vorkommt. Als die
Autorin Jana Heinicke Mutter wird, könnte der emotionale Spagat zwischen
Vorstellung und Realität nicht größer sein. Muttergefühle hat sie jede Menge –
aber Liebe ist nur eines unter vielen. Sie beginnt, den Raum zwischen Ideal und
Wirklichkeit zu erkunden: Woher kommt die Vorstellung der allzeit glücklichen
Mutter? Welche Erwartungen, Ängste und Zweifel schürt dieser Mythos? Und
wieso geht es in Mutterschaftsratgebern eigentlich nie um die Mütter, sondern
immer nur ums Kind? Jana Heinicke seziert mit sprachlicher Präzision,
emotionalem Tiefgang und einer ordentlichen Prise Selbstironie das Ideal der
guten Mutter und zeigt, warum es sich lohnt, ihm eben nicht gerecht zu werden.
„Aus dem Bauch heraus – Wir müssen über Mutterschaft sprechen”, Jana Heinicke , Goldmann Verlag, ET: 09.11.2022, € 17,00 – ISBN 978-3-442-31654-0