Im Rahmen der Schweinfurter „Arabischen Kulturwochen“ wird im Museum Otto Schäfer eine Kabinettausstellung präsentiert, die Rückerts Beschäftigung mit Werken des Orients näher beleuchtet. Die Schau ist eine Kooperation zwischen der neugeschaffenen „Rückert-Stelle“ der Stadt Schweinfurt und dem Museum Otto Schäfer.
Friedrich Rückert (1788-1866) begann um 1807, sich mit orientalischen Sprachen zu beschäftigen. Er erarbeitete sich Kenntnisse der hebräischen und der persischen Sprache und erlernte vom Arabischen zumindest die Buchstaben. Eine Bewerbung an der „Kaiserlich-Königlichen Akademie für Orientalische Sprachen“ in Wien war indes erfolglos, denn man erachtete ihn mit seinen zwanzig Jahren als schon zu alt. Auf seiner Rückreise aus Italien hielt sich Rückert 1818/1819 für einige Wochen in Wien bei dem Orientalisten Joseph v. Hammer-Purgstall (1774-1856) auf, um seine Kenntnisse des Persischen zu erweitern und weitere Studien zum Arabischen und Osmanisch-Türkischen zu betreiben. Ab 1823 übertrug Rückert Teile des Korans ins Deutsche. Zu einer Veröffentlichung kam seine Übertragung jedoch erst 1888. Noch heute gilt sie als die einzige deutsche Übersetzung, die die sprachliche Schönheit des Korans vermittelt.
Der Orient als „Land der aufgehenden Sonne“ im Osten und der Okzident als „Land der untergehenden Sonne“ im Westen bilden sowohl geographisch als auch religions- und kulturgeschichtlich einen Gegensatz. Dennoch gab es im Laufe der Geschichte immer wieder Berührungspunkte zwischen Morgenland und Abendland: die arabisch-islamische Expansion ab der Mitte des 7. Jahrhunderts führte bis nach Europa und manifestierte sich vor allem in Sizilien und Spanien. Und seit der Antike verbanden Handelsrouten wie die legendäre „Seidenstraße“ Orient und Okzident miteinander – europäische Reisende berichteten immer wieder begeistert von den „Wundern des Orients“. Diese Begegnungen mit der arabischen Welt führten im Westen zu einer gewaltigen Befruchtung und Weiterentwicklung in vielen Bereichen: die moderne Mathematik, die Astronomie und die Medizin fußen ebenso auf orientalischen Grundlagen wie auch Literatur, Kunst, Musik wichtige Impulse aus dem Morgenland empfangen haben.
Allerdings begann erst im 19. Jahrhundert die systematische Erforschung des Orients. An den Universitäten wurden verstärkt Lehrstühle für Orientalistik eingerichtet und bis Mitte des 19. Jahrhunderts war das Fach in den meisten Ländern Europas als akademische Disziplin etabliert. Schriftsteller und Künstler nutzten verstärkt orientalische Themen und Motive als Schauplatz oder Staffage für ihre Werke, denen oft eine romantische Verklärung zugrunde lag. Das wohl bekannteste Werk der literarischen Beschäftigung mit dem Orient ist Johann Wolfgang v. Goethes (1749-1832) „West-östlicher Divan“ (Stuttgart 1819). Der „Dichterfürst“ hatte den „Divan“ des persischen Dichters Mohammed Schemsed-din Hafis (um 1315-1390) in der Übersetzung Joseph v. Hammer-Purgstalls (1774-1856) gelesen und sich davon zu seiner Dichtung inspirieren lassen. Hafis bezeichnete er als seinen „Zwillingsbruder“. Der „Divan“ von Hafis ist das bedeutendste Werk der mittelalterlichen persischen Dichtung und enthält mehrere hundert zumeist in der Form des Ghasel abgefasste Gedichte. Ghasel ist eine arabische Gedichtform mit dem Reimschema: aa xa xa xa xa, die in Deutschland vor allem von August v. Platen (1796-1835) und Friedrich Rückert verbreitet wurde. Rückert legte mit seinem Werk „Östliche Rosen“ (Leipzig 1822) eine freie Nachdichtung der Ghaselen des Hafis vor.
Das erste Werk der arabischen Literatur, das Friedrich Rückert übersetzte bzw. frei nachbildete, war „Die Verwandlung des Abu Seid von Serug oder die Makamen des Hariri (Stuttgart 1826). Im Zentrum der Handlung steht ein alter Mann (Abu Seid), der sich mit Scharfsinn und Witz durch das Leben schlägt. Die einzelnen Geschichten über Abu Seid werden von einem Erzähler in Reimprosa vorgetragen. Verfasser des Werkes war der arabische Dichter Al-Hariri (1054-1122), der mit den „Makamen“ außerordentlichen Erfolg hatte. Rückerts Übertragung von zunächst 21 „Makamen“ war weniger erfolgreich und verkaufte sich nur schlecht. Nach den „Makamen des Hariri“ widmete sich Rückert einem weiteren Klassiker der arabischen Literatur: den „Hamasa“-Volksliedern (Stuttgart 1846). Dabei handelt es sich um eine Sammlung von arabischen Volks- und Heldenliedern in Reimform, die von verschiedenen Autoren verfasst wurden. Zusammengestellt wurde die Sammlung im 9. Jahrhundert von dem Dichter Abu Tammam (804-845). Rückerts Übersetzung der „Hamasa“-Volkslieder zeigte den Lesern ein vielschichtiges Bild der arabischen Kultur und Mentalität. In dieser Absicht verfasste er auch die jeweils zweibändigen Werken „Erbauliches und Beschauliches aus dem Morgenland“ (Berlin 1837) und „Sieben Bücher Morgenländischer Sagen und Geschichten“ (Stuttgart 1837). Rückert trug aus unterschiedlichsten Quellen historische Texte, Mythen, Sagen u. ä. zusammen, die er nachbildete, übersetzte oder umarbeitete.
Zeit seines Lebens beschäftigte sich Rückert intensiv mit weiteren poetischen Werken des Orients. Mag er heute als Verfasser zahlloser lyrischer Verse eher in Vergessenheit geraten sein, hat er mit seinen Übertragungen und Nachdichtungen eine Brücke zwischen Orient und Okzident geschlagen. Diese Brücke sollten wir in einer Zeit der Vorurteile und Intoleranz durchaus nutzen.
Die Ausstellung ist vom 1. Oktober bis 5. November 2023 im MOS zu sehen.
Öffnungszeiten Museum Otto Schäfer: Di. bis So., Feiertage 13 bis 17 Uhr. Sonderöffnung nach Vereinbarung.