Ausstellung „Schwerkraft – Fliehkraft“

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Hartwig Ebersbach, Frühstück im Freien, 2008. Foto Christoph Sandig, Leipzig © VG Bild-Kunst, 2019.

Im Herbst 2019 jährt sich der Fall der Mauer. Nach einer vielbeachteten Ausstellung mit verschiedensten Künstlerpositionen aus Ost und West im Jahr der Eröffnung 2009 zeigt die Kunsthalle Schweinfurt zu ihrem 10-jährigen Bestehen mit dem in Leipzig lebenden Hartwig Ebersbach (geb. 1940 in Zwickau) und Dietrich Klinge aus Heiligenstadt im Eichsfeld (geb. 1954) unter dem Motto „Schwerkraft – Fliehkraft“ einen Dialog von zwei herausragenden Künstlerpersönlichkeiten aus der ehemaligen DDR.

Die Ausstellung ist vom 3. Oktober bis 8. März zu sehen.

Schweinfurt lag einstmals im Schatten der Grenze. Die Kunsthalle Schweinfurt richtet mit Blick auf ihren reichen Sammlungsbestand aktuell den Fokus in der Dauerpräsentation wie auch in Wechselausstellungen auf das Thema „Individuum und Gesellschaft“ und bietet deshalb im Untergeschoss gesellschaftspolitische Fragestellungen seit den 1950er Jahren an, die Deutschland seit der Teilung in zwei deutsche Staaten prägten.

Hartwig Ebersbach stand jahrzehntelang für eine politisch bedingte und konfliktbezogene Malerei. Er hat diese kritische Weltsicht in die Person des „Kaspar“ transferiert, der ihn zeitlebens als treuer Freund begleitet. Schon zu DDR-Zeiten ein bedeutender zeitgenössischer und unbequemer Künstler hat Hartwig Ebersbach gerade aus der Sicht dieses Mikrokosmos politischer Verhältnisse, mit denen er gelebt hat, malerische „Wahr-Sagungen“ geschaffen. Heute bringt er dem Betrachter als Haruspex – als Leberschauer – in eindringlicher Weise die Grundlagen menschlicher Existenz durch seine großartige gestenreiche und farbintensive Malerei nahe.

Im Zentrum der bildhauerischen Arbeit von Dietrich Klinge steht der Mensch. Dabei hat er zu einer höchst ästhetischen und unverwechselbaren Formensprache gefunden, die im Sinne einer visuellen Metamorphose zwischen zwei Materialien changiert, dem Holz und der Bronze. Seine sakralen wie profanen Themen strahlen im sie umgebenden Raum eine außerordentliche Präsenz aus. Klinge ist es dabei gelungen, einen völlig neuen Akzent zur Körperhaftigkeit im 21. Jahrhundert zu schaffen und die Rückkehr des Menschen in die Kunst zu vollziehen. Sich eines über Jahrhunderte gereiften Erbes bildhauerischen Schaffens bewusst, entstehen gestenreiche Volumina, Kruzifixe und Engelsgestalten, ausdrucksstarke Gesten und Köpfe. Der Betrachter kann sich der Balance von vitaler Form und ruhiger Anmutung nur schwer entziehen.

Dietrich Klinge, Konznow cogitar, 2013, Foto Martin Frischauf, Stuttgart

Dass sich neben der Kunsthalle Schweinfurt weitere Institutionen, wie die Kirche St. Johannis und die Sparkassengalerie, an dem Projekt beteiligen, spiegelt die tiefe Wertschätzung für die beiden Künstler. Die Edition & Galerie Bode in Nürnberg als weiterer Ausstellungsort unterstreicht auch die deutlich überregional ausgerichtete und politische Strahlkraft der Werkschau. Besonders in Schweinfurt selbst gelingt es in unterschiedlicher Besetzung der beiden Künstler, einen bemerkenswerten Dialog im profanen wie im öffentlichen Raum, zwischen innen und außen sowie zwischen den unterschiedlichsten Architekturen und Räumen herzustellen. (Andrea Brandl)