Im Alltag werden wir regelmäßig mit kleineren und größeren Provokationen konfrontiert, die uns manchmal schneller aus dem Gleichgewicht bringen, als uns lieb ist – und uns manchmal sogar schlichtweg die Sprache verschlagen. Die guten Antworten fallen uns häufig erst hinterher ein.
Jede Provokation ist eine Einladung zum Konflikt und wir allein entscheiden, ob wir die Einladung annehmen oder nicht. Es gibt unterschiedliche Arten, einen Konflikt positiv bearbeiten und nutzen zu können. Und wir sollten einen eigenen Weg der Reaktion finden, ohne uns zu verstellen. Genau da setzt der Ratgeber „So sehen Siegerinnen aus – Konflikte meistern durch Balance, Haltung und Selbstvertrauen“ an. Katrin Klewitz lässt ihre Leser*innen mit Übungen, Beispielen und erzählten Situationen selbst einen Weg und ihre eigene Stärke finden. Im Folgenden finden Sie drei Übungen für den Alltag:
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Das richtige Standing – oder wie wirkungsvoll es sein kann, einfach stehen zu bleiben.
Katrin Klewitz: „Wenn einem spontan keine Reaktion einfällt: erst einmal stehen bleiben. Wir müssen heutzutage meistens nicht mehr davonlaufen. Zumindest nicht bei Alltagskonflikten, denn damit sind keine körperlichen Angriffe gemeint, sondern die subtilen Provokationen, denen wir alle regelmäßig begegnen: vom Drängeln in der Kassenschlange bis hin zum blöden Spruch von Fremden oder auch Bekannten. Oft werden wir in Konfliktsituationen hektisch und fühlen uns unwohl, da wir glauben, unbedingt sofort etwas sagen oder reagieren zu müssen.
Übung: Stellen Sie sich vor, Sie gehen im Büro an einem unangenehmen Arbeitskollegen vorbei. Während Sie ihn und seine Begleiterin passieren, ruft er Ihnen einen flapsigen Kommentar hinterher. Die andere Frau lacht, der Kollege fühlt sich überlegen. Wie reagieren Sie?
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Möglichkeit 1: Sie ziehen die Schultern hoch und gehen schnell weg.
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Möglichkeit 2: Sie bleiben stehen, richten sich auf, ohne sich umzusehen, atmen bewusst einmal ein und aus und gehen weiter.
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Möglichkeit 3: Sie bleiben stehen, drehen sich um und sehen Ihren Kollegen direkt an. Dann nicken Sie einmal kurz und gehen weiter.
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Möglichkeit 4: Sie bleiben stehen, drehen sich um, stellen sich stabil hin und sehen Ihren verhassten Kollegen direkt an. Lächelnd verschränken Sie die Arme vor der Brust und warten einfach ab, ohne den Blickkontakt abzubrechen. Sie atmen ein und aus und bleiben so lange stehen, bis es ihm unangenehm wird. Egal, was er sagt, Sie reagieren nicht darauf, sondern schweigen und blicken. Sie mustern auch die Begleiterin Ihres Kollegen – und gehen dann gemächlich davon.
Überlegen Sie nun: Wie nimmt Ihr Angreifer Sie im zuletzt beschriebenen Szenario wahr? Wie seine Begleiterin? Wie nehmen Sie sich selbst wahr? Nicht vergessen, alle vier Reaktionen kommen ohne ein einziges Wort aus. Sie müssen also kein schlagfertiger oder rhetorisch besonders versierter Mensch sein, um dafür zu sorgen, dass dem anderen seltsam zumute wird.
Ein langer Blick und eine entschiedene Haltung sagen mehr als tausend Worte. Jeder spürt, was Sie denken – Ihr Körper macht es mehr als deutlich. Und dennoch nehmen Sie die Einladung zur Konfrontation nicht an, sondern begegnen ihr mit Ruhe und einem Lächeln und schlagen sie aus, ohne die Flucht zu ergreifen. Und das nur durch eine einzige Sache: Ihr Standing.“
2: Raus aus der Schockstarre – schneller wieder handlungsfähig durch einen mikromuskulären Trick
„He, Sie! Sie dürfen hier nicht parken.“ – Oft werden wir von einem Angriff überrascht. Unser Körper reagiert mit einer Schockstarre, die zunächst so klein ist, dass wir sie fast nicht bemerken: wir atmen kurz ein und legen Kopf leicht nach hinten. Ich nenne dies die Erschreckte-Karnickel-Position. Auf körperlicher Ebene spielt sich dabei eine Kettenreaktion ab: Die Anspannung im Muskel sendet Signale an unser Gehirn: Achtung, Angriff! Dieses verarbeitet den Impuls und ruft im limbischen System Emotionen dazu ab.
Gleichzeitig werden Stresshormone ausgeschüttet, die durch unsere Blutbahn in den Muskel gelangen – und für das uns typische Reaktionsmuster sorgen.
Es gibt einen mikromuskulären Trick, der genau an der Stelle ansetzt: Wenn ich mich in dieser Position wiederfinde, hilft es, das Kinn leicht zur Brust zu nehmen, bewusst auszuatmen, währenddessen die Augen leicht zu schließen und einen Schritt zu gehen, in die Richtung, in welche ich aktiv sein möchte. Diese Haltung nenne ich die „Leopardin“. Sie hilft heraus aus der festgefahrenen Haltung in eine Handlung übergehen zu können, und gibt dem Gehirn das Signal sich in keiner bedrohlichen Situation mehr zu befinden.
Übung: Stellen Sie sich schulterbreit hin und schaue Sie nach vorn. Atmen Sie kurz und tief ein und legen Sie den Kopf minimal nach hinten, während Sie die Augen aufreißen. Wichtig ist, die Augen wirklich zu weiten. Halten Sie die Position für zwei bis drei Sekunden.
Atmen sie nun langsam aus. Währenddessen lassen Sie das Kinn in Richtung Brust sinken und verengen die Augen zu Schlitzen. Wiederholen Sie die Übung zehnmal. Was empfinden Sie zu Beginn der Übung, während Sie mit geweiteten Augen und ohne zu atmen dastehen? Verändert sich etwas an Ihrer inneren Haltung, wenn Sie ausatmen, den Kopf nach vorn nehmen und die Augen verengen? Wiederholen Sie die Übung nun drei Mal am Tag in beliebigen Situationen. Und wenden Sie sie schließlich in einer Konfliktsituation an und beobachten Sie, wie Sie sich fühlen.
3: Die Distanz-Zone wahren
„Stellen Sie sich folgende Situation einmal vor: Sie stehen an der Supermarktkasse und der Mensch hinter Ihnen atmet in Ihren Nacken. Derzeit doppelt unangenehm und sogar gefährlich. Offensichtlich hat er eine sehr viel geringere persönliche Distanzzone als Sie. Wann kommt mir jemand zu nahe? Schlichtweg ab dem Moment, in dem ich es empfinde. Frauen neigen häufig dazu, dies abzutun und zu sagen: Ach, nicht so wild.
Ich bin heute mal wieder empfindlich. Bei Dränglern in einer Schlange – typisch sind auch die Austeigesituationen in der Bahn oder im Flieger, wenn alle im Gang stehen – gibt es wieder verschiedene Möglichkeiten zu reagieren:
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Möglichkeit 1: Bleiben Sie einfach einen Moment länger stehen, als es notwendig wäre. Sie können dabei auch einen Arm in die Hüfte stützen und sich mit dieser Seite leicht nach hinten drehen, dass der Ellbogen in Richtung des Dränglers zeigt und auch das Gewicht auf den hinten stehenden Fuß verlagern. Wiederholen Sie gegebenenfalls die kurze Zäsur im allgemeinen Drängeln.
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Möglichkeit 2: Drehen Sie sich zu der Person hinter Ihnen um und blicken Sie diese einen Moment lang an. Dann drehen Sie sich wieder um und gehen in Ihrem Tempo weiter. Sie können auch hier einen Arm in die Hüfte stützen, um sich breiter und größer erscheinen zu lassen.
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Möglichkeit 3: Gehen Sie unvermittelt einen Schritt nach hinten und verschaffen Sie sich auf diese Art Platz (derzeit bei Corona nicht zu empfehlen, aber es kommen ja auch wieder andere Zeiten)
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Möglichkeit 4: Finden Sie die richtigen Worte! Sollte es jemand allein durch ihre Körperhaltung nicht verstanden haben, sagen Sie es. Das kann sein: „Haben Sie es eilig? Soll ich Sie vorbeilassen?“ Aber auch: „Wenn Sie bitte ein Stück nach hinten gehen könnten? Ich brauche hier mehr Platz.“