Strohmarketerie – Ein fast vergessenes Handwerk

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Für ihre Arbeiten benutzt Mélanie Richet Roggenstroh aus langhalmigem Roggen, der von einem Bauer in Frankreich extra für Strohmarketerie angebaut wird.

In einer kleinen Gasse der Schweinfurter Innenstadt befindet sich eine Werkstatt, wie es kaum eine andere in Deutschland gibt. Dort widmet sich Mélanie Richet einem vergessenen Handwerk: der Strohmarketerie. In reiner Handarbeit fertigt sie Schmuck, Wandschmuck, Gegenstände und Möbel mit Einlegearbeiten aus Stroh, alle Unikate. Ihren Schwerpunkt hat sie auf Schmuck gelegt, und geht damit einen ungewöhnlichen Weg in der kleinen Welt der Strohmarketerie und in der des Schmucks.

Alle Schmuckstücke sind Unikate.

Die Strohmarketerie ist ein altes Handwerk, über dessen Herkunft man nur wenig weiß. Wie historische Stücke es beweisen, ist es klar, dass in verschiedenen Ländern Europas, im 17. Jahrhundert Strohmarketerien zu finden waren.

Die letzte Glanzzeit der Strohmarketerie bildet die Art Déco, besonders mit Arbeiten von Jean-Michel Frank oder André Groult, heutzutage von Sammlern sehr begehrt und in Museen wie das Musée des arts décoratifs in Paris ausgestellt. Dank der unermüdlichen Arbeit Groults Enkelin, Lison de Caunes, bei der Mélanie Richet die Strohmarketerie gelernt hat, wurde dieses Kunsthandwerk in Frankreich und im Luxusbereich in den letzten Jahrzehnten neu entdeckt. Während Strohmarketerien meistens in historischen Stücken auf kleineren Objekten wie Schatullen zu finden sind, wird die Technik heutzutage hauptsächlich für Wandverkleidungen und Möbel benutzt.

… ein Armreif.

In Deutschland ist die Strohmarketerie extrem selten, obwohl es auch hier eine Tradition dafür gibt, unter anderem mit der Werkstatt der Familie Hering, die nachweisbar zwischen 1695 und 1736 Strohmarketerien anfertigte. Zurzeit gibt es nur vier Betriebe in Deutschland, die Strohmarketerien anfertigen, alle mit unterschiedlichen Schwerpunkten.

Mélanie Richet liegt es besonders am Herzen, die Strohmarketerie bekannter zu machen. Einmal, weil mit jedem Handwerk, das verschwindet, eine Menge Wissen und ein Stück Kulturerbe verlorengeht, aber auch weil die Strohmarketerie sehr viel Potenzial besitzt und vollkommen zeitgemäß ist. An erster Stelle bietet der einzigartige ästhetische Charakter des Strohs als Strohmarketerie unendliche Gestaltungsmöglichkeiten an. Außerdem ist Stroh, besonders in Kombination mit Holz als Träger, ein sehr interessantes Material in Hinsicht auf Nachhaltigkeit.

… ein Etui für Visitenkarten.

Für ihre Arbeiten benutzt Mélanie Richet Roggenstroh aus langhalmigem Roggen, der von einem Bauer in Frankreich extra für Strohmarketerie angebaut wird. Die gefärbten Strohhalme werden per Hand aufgemacht und geglättet, bevor sie Halm für Halm Rand am Rand auf dem Träger geklebt, geglättet und geschnitten werden.

Je nach Objekt und Muster wird direkt auf dem Träger gearbeitet oder zunächst auf Papier, um eine Art Furnierblätter zu bekommen. Die verschiedenen Strohhalme werden so gelegt, dass Muster entstehen.

Was für die Strohmarketerie so charakteristisch ist, ist die ganz besondere Art und Weise, wie das Licht auf der Oberfläche bricht. Es entsteht ein Schimmer, der gleichzeitig mineralisch, fast metallisch und warm ist. Je nach Lichteinfall erscheinen unzählige subtil changierende Farbnuancen. Und da Stroh ein Naturmaterial ist und jeder Strohhalm anders auf das Färben reagiert, bekommt man nie zweimal dasselbe Ergebnis. Genau das fasziniert die Kunsthandwerkerin, die sich immer freut, ihre Leidenschaft zu teilen.

Gern empfängt sie Besucher*innen in ihrer Werkstatt, in der Neuen Gasse 34, zu ihren Öffnungszeiten: Di 9.30 bis 12 und 14.30 bis 17.30 Uhr, Mi/Do/Fr 14.30 bis 17.30 Uhr oder nach Vereinbarung (Tel. 0163 6857244 oder 09721 3864304).

Ihre Kreationen sowie weitere Informationen findet man auf ihrer Internetseite: www.richet.de