Literatur im Groschenheft – „Späßle gemacht”, Mundart-Kurzgeschichte von Joachim Engel

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Engel Joachim, ein waschechter Unterfranke, Polizeibeamter und Schriftsteller, Mitglied der Schweinfurter Autorengruppe SAG

Nicht enden wollendes Ende der Corona-Zeiten. Aber die Schweinfurter Autorengruppe SAG schreibt weiter. Im Juni bringt das Groschenheft eine Kurzgeschichte von Joachim Engel.

Joachim Engel, Jahrgang 1961, in Haßfurt geboren und in Unterschleichach aufgewachsen, also ein waschechter Unterfranke, Polizeibeamter und Schriftsteller, Mitglied der Schweinfurter Autorengruppe SAG. Er kennt sich aus mit dem wirklichen Leben, denn seine Streifendienste auf den Schweinfurter Straßen öffnen ihm die Augen für menschliche Abgründe, in denen er gerne wühlt.

Das bringt er zu Papier, immer unterlegt mit einem kritischen Blick auf Gesellschaft und Politik, zum Beispiel in seinem Episodenroman „Rossmarkt“ oder in seinen Erzählbänden „Des hätt fei schlimmer kumm könn“ und „Das Leiden des fränkischen Sebber“. Joachim Engel schlüpft gern in die Rolle des Sebber, des fränkischen Sebastian, wie sein Schöpfer ein Staatsdiener in Uniform.

Der Engel-Sound ist der Dialekt. Das ist sein Ding. Das ist seine unverkrampfte Antwort auf eine ver-rückte Zeit. Gerade durch den Dialekt – die Sprache, in der man aufgewachsen ist – wird alles glaubwürdig und nah. Es ist ein bittersüßes Erlebnis, die Geschichten von Figuren mit einer ganz eigenen „Mendalidäd“, die „gscheid blöd“ sind, zu lesen. Die Leserin, der Leser, sie schmunzeln, genau das will Joachim Engel erreichen. Und die Juni-Geschichte zeigt uns den Sebber, wie er halt so ist.

Sebber denkt. Der Sebber liecht aufm Sofa und denkt. Viel lieber tät er jetzt einschlaf, aber es klappt net. Er kann nix dagecher mach. Er liecht da und denkt.

Er denkt an Vergangenes, er denkt an Gegenwärtiges und er denkt an Zukünftiges. Er denkt und denkt.

Wie gern würd er jetzt nix denk, eenfach nur daliech und einschlaf, aber näh, er denkt und denkt. Wie schö müssens die hab, die nix denken, denkt er sich.

Jetzt sind wir neugierig, wie der Sebber Corona erlebt.

 

Späßle gemacht

Ja, die Coronazeiten ham ah den Sebber hart getroffn. Net dass ihm des Klopapier odder die Nudeln ausganga wärn, nä, da hat er scho frühzeitich vorgsorcht ghabt, aber mer wird’s net glahm, a Alkoholproblem hat er kriecht.

Obber ah da warn sei Probleme net so, wie mer vielleicht im erschten Moment gedacht hät: Näh, er hat natürlich net des Saufen angfanga, im Gegenteil, seine spärlichen Vorräte sind langsam zur Neige ganga.

Grad beim Rotwein wars dramatisch. Er hat halt a ä verwöhnts Göschle ghabt und a Domina ausm Steigerwald war trotz aller Existenzängst net zur Debattn gstanna.

Die Bestellung aus Italien is ah net ankumma. Möglicherweise ham ja die Österreicher dem Sebber sei Lieferung unbürokratisch selber verwertet odder efach net übern Brenner gelassen.

So ist dem Sebber im letzten Moment, er hat sich scho a Mineralwasser eigschenkt und des Glas angeekelt in der Hend gedreht, der rettende Gedanke kumma:

„Der Giovanni, na klar, der Sauhund, etzertla werd sich zeing, ob der windiche Sizilianer bloß widder aufgesprochen hat, odder ob vielleicht doch was dran is, an seiner Gschicht.“

Es war nämlich so, dass er den besagten Mafioso unlängst zur Vernehmung da ghabt und sich umfangreich mit ihm unterhalten hat. Es is um Betrügerei, Hehlerei und alles Mögliche ganga. Am End hat dann der Giovanni groß aufgsprochen, vo seim neuen Gschäft erzählt, gsocht, dass er die unfehlbare Geschäftsidee hat und jetzt auf jeden Fall anständich wer will.

Natürlich hat der erfahrene Polizist dem Giovanni nix gegläbt und gedacht: „Jaja (auf deutsch: Leck mich am Arsch) schmarr ner ruhich weiter. Ich gläb dir ke Wort.“

„Wurscht, jetzt guckmer mal, kost ja nix.“ Die Gschäftsidee vom Giovanni war nämlich: Handel mit original italienischen Produkten und Köstlichkeiten, also Nudeln, Käs, Wurscht und natürlich Wein. Angeblich sogar mit Barolo, dem Sebber sei Lieblingströpfla.

Also hat er des Wasserglas auf Seitn gstellt und is mitm Streifenwagen zur Adräss vom Giovanni gefahren. Tatsächlich war am Haus a groß Schild ghängt: Giovanni Calzone, Italienische Feinkost.

Die Tür war offen. Der Sebber spaziert nei, sicht den Giovanni hinter seiner Thekn und begrüßt den in seiner unnachahmlichen freundlichen Art:

„Servus Giovanni, alter Gauner, die Polizei is da, ich muss dich mitnämm und für lange Zeit eisperr.“

Da is dem Giovanni vor Schreck sei Nudelbäckla aus der Händ gfallen und er is leichenblass warn. Für an Sekundenbruchteil ham sich alla zwä versteinert angschaut.

Wie vom Blitz getroffen hat der Giovanni sich plötzlich umgedreht und is davo gerennt.

Über den weiteren Fortgang der Gschichte gibts nur ungesicherte Informationen, weil natürlich vo dena Beteilichten später kenner mehr was davo wiss gewöllt hat.

 

Drei Varianten sen in der Folgezeit hinter vorgehaltener Hand erzählt worn.

Variante 1: Der Giovanni is hinten ausm Klofenster khüpft, über die Straße zu seim Auto gerennt, hat dabei net geguckt, is vo ahm Laster erwischt und mausetot gfahren worn.

Des war natürlich kee schöns End, obber Nr. 2 war da ken Deut besser.

Variante 2: Dem Giovanni ist die Flucht geglückt. Logisch, es hat na ja gor kenner verfolcht. In Italien ankomma, hat er endgültig eigsänn, dass mer mit ehrlicher Hände Arbeit net weiterkummt im Lähm, hat sich der Mafia angschlossen und is ahner der schlimmsten Verbrecher vo Palermo worn.

Ja, ah die zwätt Gschicht war mit ahm grausichn End. Wenden wir uns also hoffnungsvoll der Variante 3 zu.

Variante 3: Der Sebber hat den Flüchtenden eingholt, gepackt und den wild zappelnden und strampelnden Giovanni zu Boden gebracht und sich auf na drauf gelecht. Wie der Sebber dann gsocht hat, dass des a Scherz war und der Giovanni ke Angst hab müssert, hat der sich a widder beruhicht.

Dann sin sa zurück nein Haus und der Giovanni hat erscht mal a bor Grappa zur Beruhichung getrunken. Vo der anschließenden Weinprobe wollmer hier gor net so viel erzähl. Jedenfalls hat sich der Sebber mit großa Düden irgendwenn aufm Hemwäch gmacht. Der Giovanni hat a Schild „ausverkauft“ nach draußen ghängt und ganz tief durchgschnauft.

Soo, jetzt habt ihr die Qual der Wahl. Suchts euch aus. Obber nämmt vielleicht des End, des am besten zu euerm frängischn Gemüt basst.

Und die Moral von der Geschicht: mach grad in Corona keine Späße nicht.