Die Karriere von Hans Jürgen Dörnhöfer als Schweinfurter „Wetterfrosch“ war vorbestimmt. Großvater Adolf van der Venne hatte im Auftrag von Oskar von Miller im Jahr 1905 in Schweinfurt den elektrischen Strom eingeführt. Als Leiter des Elektrizitätswerks betreute er eher nebenbei auch die angegliederte Wetterstation, die in etwa auf dem heutigen Gelände der Disharmonie ihren Standort hatte. Allerdings erfuhr Hans Jürgen Dörnhöfer von den Wetteraktivitäten des Großvaters mütterlicherseits erst, als er schon seine eigene, noch in Sennfeld aufgebaute Wetterhütte hatte.
Sein Vater Otto Dörnhöfer hatte dem Junior 1952, da war er 16 Jahre jung, beim Aufbau der kleinen Wetterstation am damaligen Wohnort der Familie geholfen und dabei über Großvaters Wetterstation berichtet. „Erbgut also“, lacht Hans Jürgen Dörnhöfer heute. Ein Blechschild mit dem Gründungsjahr – 1952 – ziert noch heute seine „Elektrische Zentrale“ im Anwesen am Deutschhof, wo der frühere Chemie-, Biologie- und Geografie-Lehrer am Rathenau-Gymnasium seit 1975 wohnt.
Aber warum ist neben der Jahreszahl auch ein Hahn abgebildet? Natürlich steckt eine besondere Geschichte dahinter: Ein Hahn, Uckl genannt, suchte immer wieder die Nähe zum jungen Dörnhöfer, der sich erinnert, dass – wenn er auf einer Bank vor seiner Sennfelder Wetterstation saß – für den Hahn der Platz auf seinem Schoss reserviert war. Irgendwann kam Uckl nicht mehr. In Erinnerung fertigte Dörnhöfer das Jahresschild mit dem Hahn drauf, der, wie er später erfahren sollte, geschlachtet worden war.
Als die Eltern von Sennfeld in die Ernst-Sachs-Straße nach Schweinfurt umzogen, richtete Dörnhöfer dort im Garten seine zweite Wetterstation ein. Als sie dort wieder raus mussten, war die Mainberger Straße der dritte Standort der Wetterstation, die nun seit 1975 ihren festen Platz am Deutschhof hat. Der halbe Garten ist Wetterstation. Sein Hobby betreibt der 85-jährige Schweinfurter noch immer mit Leidenschaft und Freude. Wenn er heute aufgefordert würde, die „Klimahütte“ abzusperren, „dann würde mir meine Lebensgrundlage entzogen, die mich ja auch fit hält“, sagt Dörnhöfer.
Besagte Klimahütte ist das Kernstück der vielen Häuschen und Gerätschaften mit unüberschaubar viel Technik. Zwei Meter ist sie hoch und Messstation für die Temperatur und Feuchtigkeit. „Eigenbau“, sagt Dörnhöfer unter Hinweis darauf, dass er sich an die international vorgegebenen Maße gehalten hat. Auch die „Elektrische Zentrale“ ist made by Dörnhöfer. „Über einen Kilometer Drähte und Kabel“ sind darin versteckt, gemessen wird vieles, der Wind, der Zug der Wolken, die Regemenge.
In einem Drahtgestell befinden sich für den Laien undefinierbare Gerätschaften, die Dörnhöfer als Messgeräte „ausschließlich für Temperaturen“ erklärt. Es gibt einen Wolkenrichtungsmesser, einen Temperaturfeuchtigkeits- und einen Verdunstungsschreiber und schließlich eine Ansammlung verschieden langer Röhren, die von drei Zentimetern bis zu drei Metern tief hinein ins Erdreich reichen. Gemessen werden hier die Bodentemperaturen. Am Tag des Reporterbesuchs Mitte Juni hatte es in drei Metern Tiefe 10,8 Grad Celsius.
Dann blättert Dörnhöfer in einem dicken Wälzer. Er stößt auf einen schweren Hagelschlag an einem Juniabend 1991. Der Hagel blieb „damals lange bis nach Mitternacht liegen“ mit der Folge, dass es im Boden einen außergewöhnlichen Temperatursturz gab. In einer Tiefe von 20 Zentimetern war die Temperatur um seltene 17 Grad gesunken. Dörnhöfer übermittelte die Werte an den Deutschen Wetterdienst, wo die Nachricht „für Furore sorgte“.
Dörnhöfer schrieb von 1954 bis Ende 2020 für die Schweinfurter Zeitungen regelmäßig übers Wetter. Jeden Monat lieferte er seinen Bericht über den Vormonat ab, eine beliebte Serie, die ihr Publikum hatte. Das Ende kam für ihn abrupt. Er versteht nach 66 Jahren Zuverlässigkeit vor allem die „Kündigung per Email“ bis heute nicht, bedauert das vor allem für „seinen“ Leserkreis, der sich jetzt mit den Informationen auf der Homepage begnügen muss.
Drei Stunden täglich ist Hans Jürgen Dörnhöfer mit Sonne, Niederschlag, Wind und Temperaturen beschäftigt. Er hält alles in einer Art Wetter-Tagebuch schriftlich fest, überträgt die Daten natürlich auch in den Computer. „Das ist mehr als ein Hobby, aber ein Beruf ist es auch nicht“, lacht Dörnhöfer, wie immer die Pfeife, sein Markenzeichen, im Mundwinkel.
Seine Frau Anne Marie räumt ein, dass sie unter „ihrem Wetterfrosch“ zuhause schon mitunter leide, zumal bei der Planung von Urlauben, vor allem zum Monatsende hin, wenn ihr Mann nach wie vor die Auswertung aller Daten und Zahlen vornimmt. Statt drei hat er dann bis zu zehn Stunden zu tun.
Jetzt aber zum Wetter. Stichwort Klimawandel. Die durchschnittliche Jahresmitteltemperatur – der Jahre ab 1961 bis 1990 – in Schweinfurt liegt bei 8,8 Grad Celsius. Dörnhöfer kann belegen, dass es seit Ende der 1980er Jahre erheblich wärmer geworden ist. Ein Ausreißer, wenn auch unerheblich, war das Jahr 2010, da waren es „nur“ 8,7 Grad. Weitere Beispiele für Ausreißer nach unten: Seit den 1980er Jahren war 1996 das einzige zu kalte Jahr. Der Januar 2009 war mit 17 Tagen Dauerfrost außergewöhnlich kalt.
Und Ausreißern nach oben? Das war der August 2009, als man in Schweinfurt mit 20,1 Grad Celsius um fast drei Grad über dem langfristigen Mittel lag. Im August 2015 lag die Höchsttemperatur „das erste Mal“ bei 40,2 Grad. Und aktuell? Das langfristige Temperaturmittel im Juni liegt bei 16,4 Grad Celsius. Im Juni 2021 sind es – Stand Mitte Juni – über 20 Grad. Ungewöhnlich, sagt Dörnhöfer.
Freilich. Seit Ende der 1980er Jahre ist die Zahl der Jahres-Sonnenstunden angestiegen: von dereinst 1660 auf heute 1800 Stunden im Jahr. Der August 2009 etwa zählte 279 Stunden Sonne, das langjährige Mittel liegt im August aber bei nur 214 Stunden. Der sonnigste August in der Schweinfurter Wettergeschichte war übrigens im August 2003 mit 371,9 Stunden. Die 257,9 Sonnenstunden im zurückliegenden Jahr 2020 waren aber auch „extrem viel“. Was heuer passiert, warten wir’s ab.
Weiteres Beispiel und ein vielen Menschen geläufiges Thema: Die Eisheiligen, immer vom 11. bis 15. Mai. In seinen nunmehr 70 Jahren als Wetterfrosch hat Hans Jürgen Dörnhöfer 350 Eisheiligentage erlebt. Aber: Nur an 19 der 350 Tage gab es Frost, aber an 70 Tagen herrschten Sommertemperaturen von über 25 Grad Celsius. „Angst vor den Eisheiligen braucht also niemand zu haben“, lacht Dörnhöfer.
Und der Niederschlag? An dem fehlt es besonders in unseren Breiten mehr und mehr. „Die Trockenheit nimmt zu“, sagt Dörnhöfer, „aber dramatisch ist es noch nicht“. Wir schauen auf 2021. Im Januar und Februar gab es außergewöhnlich viel Regen, im März und April war es zu trocken, im Mai dann wieder viel Regen und jetzt bis Mitte Juni: nur 9,2 Liter pro Quadratmeter. Auf Dauer wird die Regenarmut zu einem Problem, zumal die Grundwasserpegel zu niedrig sind.
Noch eine von Dörnhöfer zuletzt beobachtete Besonderheit: In unseren Breiten sind die Gewitter in diesem Jahr bisher vorbeigezogen. „Eine logische Erklärung gibt es dafür nicht“, sagt Dörnhöfer, merkt aber an: Dieses Wasser fehlt, andererseits gab es keine Schäden wie andernorts. Während es in vielen anderen Gebieten riesige Gewitter gab, zählte Dörnhöfer in Schweinfurt nur zwei kleine Gewitterchen.
Dörnhöfer sagt, dass für die Erderwärmung viele Faktoren ursächlich sind. Das Abholzen der Bäume im Amazonas, der Autoverkehr, die fossilen Brennstoffe. Der Mensch habe also viel Schuld, aber nicht alleine. Es habe im Lauf der Zeiten schon immer mal wärmere Phasen gegeben, als es weit weniger Menschen und keine Autos gab. Er wolle die gerechtfertigten Anstrengungen pro Umwelt- und Klimaschutz damit in keiner Weise kritisieren, nein, das sei wichtig und richtig. Aber ein wichtiger Grund für die Klimaerwärmung sei auch in den Veränderungen der Sonnenatmosphäre zu suchen. Man kann diese aber noch nicht erklären. Sobald das möglich ist, wissen wir mehr.