Saga „Die Hafenärztin” von Henrike Engel – Buchvorstellung und Interview

752

Ein Leben für die Freiheit der Frauen ist der Auftakt der Serie um die Ärztin Anne Fitzpatrick, eine mutige Frau mit dunkler Vergangenheit, und ein spannender Roman über die Anfänge der Frauenbewegung, voller Atmosphäre und Zeitkolorit: Hamburg zur Kaiserzeit, eine mutige Ärztin, die vor ihrer Vergangenheit davonläuft und einen Neuanfang wagt, eine junge Frau auf der Suche nach ihrem Weg, ein Polizeibeamter, dem eine Tragödie das Herz gebrochen hat und Mordfälle im Umfeld der neuen Frauenbewegung – all das bildet den Rahmen zu einer packenden und bewegenden Saga.

Auch wenn wir in Deutschland inzwischen seit gut 100 Jahren Frauenwahlrecht haben und Frauen seit über 50 Jahren eigene Konten haben und arbeiten dürfen, ohne erst die Erlaubnis ihres Ehemanns einholen zu müssen, so war der Weg bis dahin kein leichter. Die neue Saga begleitet die Ärztin Anne Fitzpatrick, die 1910 nach der Flucht aus England wieder in ihrer Geburtsstadt Hamburg Fuß fassen und ein umstrittenes Frauenhaus eröffnen will. Das Hamburg der Kaiserzeit war mit dem Hafen als „Tor zur Welt“ ein Ort des Aufbruchs und gleichzeitig voller Abgründe. Auch Anne Fitzpatrick stößt mit ihrem Vorhaben nicht nur auf gesellschaftliche und politische Widerstände, sie gerät auch ins Visier eines Frauenmörders. Die Polizei spielt die Leichenfunde im Hafenbecken vor dem Frauenhaus als Milieutat herunter, doch Kommissar Berthold Rheydt ahnt, dass sich dahinter mehr verbergen könnte.

Die spannende Saga spielt in einer Zeit, in der viele Themen, die uns auch heute noch bewegen, ihren Ursprung hatten und von denen einige auch heute noch erschreckend aktuell sind. „Es waren die Jahre der Befreiung, auch die ökologische Bewegung nahm ihren Anfang“, sagt Autorin Henrike Engel. Sie ist bei einer Recherche auf interessante Persönlichkeiten aus der Frauenbewegung um die Jahrhundertwende gestoßen, die so schillernd, fortschrittlich und kämpferisch waren, dass sie sie nicht mehr losgelassen haben. „Die Kombination mit „Kaiserreich“ und „Hamburger Hafen“ schien mir perfekt, um die Geschichte einer solchen Frau zu erzählen, einer Frau, die durch ihren Beruf mitten in der Gesellschaft verankert ist und trotzdem mit den Konventionen bricht.“
Anne Fitzpatrick hat als eine der ersten Frauen überhaupt Medizin studiert und sieht es als ihre Pflicht an, Frauen zu helfen. Tagtäglich ist sie mit verschiedensten Krankheiten konfrontiert, viele haben ihren Ursprung im patriarchalen System der Kaiserzeit: Frauen wurden mit Syphilis angesteckt oder erlebten körperliche Gewalt durch ihre Männer. Immer wieder wenden sich auch Frauen an die Ärztin mit der Bitte um Abtreibungen, die jedoch illegal sind. Anne ist zwar der Auffassung, dass jede Frau das Recht haben sollte, über ihren Körper zu bestimmen, doch sie muss im Einklang mit dem Gesetz arbeiten, sonst ist das Frauenhaus verloren – auch im Jahr 2021 sind Schwangerschaftsabbrüche gemäß § 218 Strafgesetzbuch grundsätzlich für alle Beteiligten strafbar. Und auch wenn es Bedingungen gibt, unter denen ein Abbruch straffrei möglich ist, dürfen Ärztinnen und Ärzte auf ihren Websites nicht ausführlich darüber informieren, weil der Paragraf 219a StGB dies verbietet.
Pastorentochter Helene Curtius steht vor einer anderen Herausforderung: Sie möchte studieren, doch ihr Vater hat andere Pläne für seine Tochter. Als Helene vom neuen Frauenhaus des Vereins „Frauenwohl“ erfährt, in dem sie sich sozial engagieren möchte und dort in Kontakt mit der neuen Frauenbewegung und mit Anne Fitzpatrick kommt, wittert die junge Frau eine Chance dem goldenen Käfig zu entfliehen, in dem sie aufgewachsen ist.

Henrike Engel

Die Autorin: Henrike Engel pendelte in ihrem Leben ständig zwischen Berlin und München, mit beiden Städten verbindet sie eine komplizierte Liebesbeziehung. Eines aber ist konstant geblieben: ihre Liebe zu Hamburg! Manche Träume jedoch müssen unerfüllt bleiben, und so hat die ehemalige Drehbuchautorin nicht ihren Wohnort in die Hafenstadt verlegt, sondern träumt sich lieber schreibend dorthin.

Der erste Band der neuen Saga Die Hafenärztin von Henrike Engel erscheint am 3. Januar 2022: Ullstein Paperback, Klappenbroschur, 464 Seiten, 14,99 €, ISBN: 9783864931901. (Band 2 Die Hafenärztin. Ein Leben für das Lachen der Kinder erscheint am 27. Mai 2022)

Interview mit Henrike Engel

Die Hafenärztin ist ein Roman, der im Hamburg zur Kaiserzeit spielt. Was finden Sie an dieser Zeit interessant?
Bei uns zu Hause hing ein Foto meiner Großmutter aus der Zeit um 1910. Eine stolze und schöne Frau, sie hat mich sehr neugierig gemacht. Als ich mich später mit ihrer Biografie beschäftigt habe, war ich fasziniert davon, wie spannend die Kaiserzeit tatsächlich war! Das waren Jahre der Befreiung, die ökologische Bewegung nahm ihren Anfang, Vegetarismus, Gleichberechtigung – Themen, die uns heute noch genauso bewegen. Je mehr ich darin eintauche, desto mehr kann ich mich für diese Zeit begeistern.

Wieso haben Sie sich ausgerechnet für Hamburg als Schauplatz für die Handlung entschieden?
Zum einen, weil der Hamburger Hafen zu dieser Zeit einer der bedeutendsten und größten Häfen Europas, ja sogar weltweit war. Und zwar sowohl für den Personen- als auch für den Güterverkehr. Viele Menschen verschiedenster Herkunft, die aus allen möglichen Motiven dort zusammenkommen – wo könnte es mehr Geschichten geben als hier?!

Außerdem bin ich Hamburgerin des Herzens. Vielleicht gerade, weil ich nie in dieser Traumstadt gelebt habe, sondern immer nur zu Gast war. Das aber seit ich ein kleines Mädchen bin. Für mich definitiv ein Sehnsuchtsort!

Die Hauptfigur ist eine Ärztin, die in einem Frauenhaus arbeitet. Wie sind Sie auf diese Figur gekommen?
Ich habe vor einiger Zeit für ein anderes Buch recherchiert und bin auf interessante Persönlichkeiten aus der Frauenbewegung um die Jahrhundertwende gestoßen, die so unfassbar schillernd, fortschrittlich und kämpferisch waren, dass sie mich nicht mehr losgelassen haben. Die Kombination mit „Kaiserreich“ und „Hamburger Hafen“ schien mir perfekt, um die Geschichte einer solchen Frau zu erzählen, einer Frau, die durch ihren Beruf mitten in der Gesellschaft verankert ist und trotzdem mit den Konventionen bricht. Die ein unglaublich starker Charakter ist, mit großer Empathie und Durchsetzungskraft – aber dennoch angreifbar bleibt.

Anne Fitzpatrick ist aber rein fiktiv oder gab es auch eine konkrete historische Ärztin, die Sie zu dieser Figur inspiriert hat? Denn sowohl den Verein „Frauenwohl“ als auch das Frauenzentrum in der Paulstraße gab es wirklich.
Anne ist rein fiktiv, aber ihre Biografie ist angelehnt an reale Frauen, die den Mut besaßen – auch lange vor 1910! – ein Studium durchzusetzen und sich als Ärztinnen niederzulassen. Sie kämpften gegen viele Widerstände und beinahe alle waren in der Frauenbewegung engagiert, so wie Anne. Sie ist also die Summe vieler realer Frauen. Aber ja, den Verein Frauenwohl gab es ebenso wie das Haus in der Paulstraße und auch den Frauenclub am Jungfernstieg. Hamburg war damals ein Zentrum der Frauenbewegung, das finde ich wichtig, zu erzählen.

Anne Fitzpatrick Verbündete wird Helene Curtius – eine Tochter aus gutem Hause, der Vater ist Pfarrer. Was reizt sie an dieser Figur?
Helene ist im Gegensatz zu Anne ein vollkommen unbeschriebenes Blatt! Dieses Spannungsverhältnis zwischen den beiden Figuren lässt unwahrscheinlich viel Raum für Geschichten. Darüber hinaus ist es als Autorin einfach schön, den Weg einer Figur von Beginn an zu gestalten, sie zu formen, sie klug zu machen und ja, ihr auch Wunden zuzufügen. Alles ist möglich – und bei Helene schlummern noch vie- le tolle Geschichten, sie hat großes Entwicklungspotential.

Außerdem gibt es Kommissar Berthold Rheydt. Warum haben Sie noch einen Mann als dritte Hauptfigur eingebaut?
Zum einen ist das Verhältnis zwischen drei Menschen immer spannungsgeladener als zwischen zweien – daraus schlagen Funken für die Geschichte. Zum anderen möchte ich Berthold als einen neuen Mann zeigen, zwar ist er ein Kraftmensch, ein Sportler, er kommt vom Militär. Aber er hat eine seelische Verletzung erlitten, die er nur durch Einfühlung heilen kann. Durch Anne und Helene entdeckt er seine sensible und moderne Seite.