Der Kunstverein Schweinfurt widmet Alexander Höller seine erste Museumsausstellung. Und erweist dem gebürtigen Schweinfurter mit „Expansion“ eine Referenz der besonderen Art.
Alexander Höller gilt als Ausnahmetalent und wurde bereits im Alter von 17 Jahren an der Akademie der Bildenden Künste in Nürnberg angenommen. Von dort wechselte er an die Akademie in München, wo er unter Professor Gregor Hildebrand studierte und 2020 sein Diplom erwarb. Seitdem erobert er die Kunstwelt im sprichwörtlichen Sturm; weshalb auch der Titel seines ersten Werkzyklus diesen Begriff aufgreift und ihn kulturgeschichtlich wie konzeptuell neu verhandelt.
Der „Sturm“-Zyklus umfasst die mittlerweile ikonischen Waldarbeiten Alexander Höllers, von denen in der Ausstellung elf ausgewählte Werke zu sehen sein werden. In den vielschichtigen Gemälden bilden hochfiligrane Verästelungen und unauflösbare Flechtstrukturen das Leitmotiv, wofür der Wald und seine archaisch gewachsenen Vegetationsmuster aus Wurzeln, Stämmen und Zweigen die Blaupause liefern. Mit diesen gleichsam neuronalen Strukturen macht Alexander Höller sowohl Waldphysis als auch Naturintelligenz sichtbar und verweist dabei zugleich auf seine Gedankengänge, Empfindungen und Affekte bei der Motivfindung und Bildgenese. Ist der Wald doch für ihn ein Ort der Kontemplation, ein Zielpunkt innerer Emigration, wo Inspiration, Erhabenheit, Ruhe und Erfüllung wohnen. Durch die Einbettung in leuchtende Farbkontexte haftet den Bildern zugleich etwas Hedonistisches, Wildes an – wie nach einem Sturm, der über die Leinwand hinweggefegt ist, um aus dem Chaos eine neue Ordnung zu generieren.
Alexander Höller zitiert hier den Sturm & Drang-Impetus der Frühromantik, verweist aber ebenso auf die legendäre Sturm-Ausstellung sowie die gleichnamige Publikation der deutschen Expressionisten (1910-1932). Stilistisch dem abstrakten Expressionismus zugehörig, sind bei den Waldarbeiten auch Anleihen bei der informellen Malerei zu finden.
Eine starke Zäsur bildet da zunächst die zweite Werkreihe Höllers. So wechselt er mit „Der stille Schrei“, einer Reinterpretation von Edvard Munchs epochalem Viererzyklus, in die figurative Abstraktion, wo ein stark zeichnerischer Duktus dominiert. Was zunächst wie ein krasser stilistischer und thematischer Bruch anmutet, wächst sich am Ende zu einer logischen Fortführung des bisherigen Werks aus. Denn wieder bilden geschichtliche und materielle Rückbezüge – sowohl im kanonischen wie im selbstreferenziellen Kontext – das Fundament von Höllers Tableaus und ergänzen das Bisherige um das daraus Resultierende, unausweichliche Folgende. Somit macht Alexander Höller metaphysische Prozesse der eigenen Entwicklung und Künstlerreifung sichtbar und belegt, dass der Wandel das einzig stete Kontinuum darstellt.
In den „Schrei“-Porträts, von denen sieben Werke in Expansion zu sehen sind, bricht sich der innere Furor Bahn, der bereits den Wald-Gemälden anhaftet. Das Archaische, eben noch in den gewachsenen Vegetationsmustern des Waldes zelebriert, wird hier kritisiert, ja destruiert, indem angedeutete Physiognomien ihre Irritation oder ihren Protest am gesellschaftlichen Status quo gestisch zum Ausdruck bringen.
Während die Bilder der Wald-Serie auf Basis von Ölfarbe entstehen – die Höller in einigen Arbeiten teils abgeflämmt und ihnen damit noch stärkere Reliefs respektive dreidimensionale Strukturen zugefügt hat – basieren die neuen Werke auf Skizzen, die dann mit Spraypaint und Ölkreide final ausgearbeitet werden. Der Pinsel als zwischengeschaltetes, intermittierendes Werkzeug entfällt; die Farbe ist eins mit dem Künstler und strömt in einem betont physischen Akt unmittelbar aus ihm hervor.
Auch materiell lassen sich Rückbezüge finden. So stellen die neuen Arbeiten stofflich eine implizite Fortführung der vorherigen Serie dar, indem Höller seine Wald-Tableaus mit diversen Papierschichten zuklebt und anschließend abschleift, um sie sodann der aktuellen Motivik zuzuführen. Das Alte wird demnach nicht gänzlich verworfen, sondern in seiner Essenz genutzt, um daraus etwas Neues zu kreieren.
Eins bedingt somit das andere, alles hängt mit allem zusammen: Alexander Höller gelingt es damit, seine stilistisch und thematisch abweichenden Werkreihen in einen gemeinsamen Kontext zu bringen und sie konzeptuell zu vereinigen. Und sie, genauso wie seine Figuren, von geistigen wie materiellen Barrieren und Konventionen zu befreien. (Yorca Schmidt-Junker, KulturJournalistin)
Die Ausstellung „Expansion“ ist vom 28. Januar bis 27. März im Kunstsalong der Kunsthalle Schweinfurt zu sehen.