11. Oktober 2024 bis 26. Januar 2025 – in der Kunsthalle Schweinfurt
Im zeitgenössischen Kunstschaffen spielt die Holzbildhauerei in ihrer traditionellen Technik kaum eine Rolle. Eine Ausnahme ist der Holzbildhauer Thomas Hildenbrand (*1980). Inspiriert von Werken der Gotik über Barock bis in die Gegenwart hat Thomas Hildenbrand seine eigene, unverwechselbare Bildsprache gefunden. Seine Skulpturen sind emotional, erzählerisch, und wirken direkt auf den Betrachter. Die Kunsthalle Schweinfurt würdigt den Triennale-Gewinner von 2021 mit einer großen Einzelausstellung. Präsentiert wird ein Querschnitt seines bisherigen Schaffens: rund 30 Holzskulpturen sowie Zeichnungen, Bronzeplastiken und Gemälde.
Thomas Hildenbrand ist in einem streng evangelischen Haus ohne Bilder aufgewachsen. „Du sollst dir kein Bildnis machen“ – dies wurde hier fast wörtlich genommen, was seine „Bildersehsucht“ jedoch nur noch mehr verstärkt hat. Schon früh war er von der Greifbarkeit und Sinnlichkeit einer plastischen Form, eines körperlichen Gegenübers fasziniert. Von 1997 bis 2000 absolvierte er daher eine Ausbildung als Holzbildhauer an der Berufsfachschule in Oberammergau, die von der reduzierten Formensprache der Nachkriegszeit geprägt und darauf bedacht war, die Schüler von der dortigen „Herrgottsschnitzerei“ für die Tourismus- und Kitschindustrie fernzuhalten. Hildenbrands Begeisterung für die Barockskulptur, die er in Oberammergau entdeckte, wurde an der Berufsfachschule dennoch akzeptiert und gefördert; und so fand er, geprägt von der Bilderwelt der katholischen Kirche, seinen eigenen Weg. Seine Skulpturen sind erzählerisch, sinnlich-kraftvoll bis hin zu einer leichten Erotik, oft jenseits aller Schwerkraft, nicht selten voller Dramatik, immer aber lebendig und unmittelbar.
Im Mittelpunkt steht die menschliche Figur, der Mensch mit seinen Träumen, Wünschen, Herausforderungen und Fragen. Hildenbrand verfolgt aber keinen missionarischen Auftrag. Seine Werke sind offen für unterschiedliche Assoziationen und verkünden keine politischen Botschaften. Innerhalb des Œvres nehmen Darstellungen von geflügelten Wesen zwischen Himmel und Erde eine große Rolle ein. Flügel sind ein Motiv, das in fast allen Epochen und Kulturen auftaucht. Der uralte Traum des Menschenflugs, das alles Überblicken ist für ihn eine wunderbare Utopie, aber auch eine Metapher der menschlichen Brüchigkeit und Begrenztheit.
In der Tradition der Süddeutschen Holzbildhauerei arbeitet er mit Lindenholz, das eine gleichmäßige Struktur hat und nicht zu hart oder zu weich ist. Die Risse, Riefen und Schrunden bleiben wahrnehmbar. Die Arbeit an einer großen Figur beginnt mit einem großen Kraftakt, als Wechsel zwischen Aktion und Kontemplation. Im Vorfeld modelliert er seine Ideen in Ton in relativ kleinem Format, nicht größer als ca. 40 cm. Die Tonmodelle, sogenannte Bozzetti, haben für ihn einen eigenen Wert. Im Frühjahr schenkte Hildenbrand einen großen Teil der Kunsthalle Schweinfurt. Sie werden zeitgleich zur Ausstellung im Untergeschoss der Kunsthalle präsentiert und stellen den Weg vom Gedanken zur Form in den Fokus.
Vernissage – Donnerstag, 10. Oktober 2024, 19 Uhr, Eintritt frei.
Musikalische Umrahmung Prof. Till Krabbe und Prof. Berthold Possemeyer
„Zwischen Himmel und Erde”
Interview mit dem Künstler Thomas Hildenbrand
Die Fragen stellte Dr. Julia Weimar, Kunsthalle Schweinfurt.
JW: Was sollte man über Sie wissen?
TH: Als ich vor über 25 Jahren anfing in diesem Beruf zu arbeiten, dachten die meisten Menschen bei dem Wort „Holzbildhauer“ an einen älteren Herrn mit Bart. Das hat sich glücklicherweise mittlerweile etwas geändert und ich fühle mich nun mit Mitte 40 doch noch relativ frisch und hoffe, dass dies auch in meiner Arbeit spürbar ist. Seit ich denken kann interessiere ich mich für die Holzskulptur und ich habe mich lange und intensiv insbesondere auch mit der historischen Holzskulptur des fränkischen Kulturraums beschäftigt wie z.B. mit Tilman Riemenschneider und Johann Peter Wagner. All das, was die Holzskulptur der vergangenen Jahrhunderte kennzeichnet und auszeichnet, das Virtuose, Emotionale, Erzählerische versuche ich mit meiner Arbeit in unserer Zeit neu- oder auch weiterzuerzählen, zu zeigen und zu fühlen.
JW: Was zeigen Sie in der Ausstellung?
TH: In der Ausstellung ist meine künstlerische Arbeit aus den vergangenen 18 Jahren zu sehen: Holzskulpturen, Zeichnungen und Modelle. Darin stecken meine Emotionen, Träume, vielleicht auch Illusionen aus dieser Zeit. Viele der Arbeiten habe ich selbst schon lange nicht mehr gesehen und freue mich sehr darauf, sie in diesem wunderbaren Museumsraum zusammenführen zu können!
JW: Warum sollte man die Ausstellung besuchen?
TH: Es ist nicht so einfach, sich selbst anzupreisen. Ein paar Adjektive treffen aber bestimmt zu: körperlich – emotional – sinnlich – ruhig – leicht – träumerisch …
… na, das klingt doch mindestens so gut wie ein Kinobesuch (TH lacht).
Begleit-Programm:
Kunstgespräche „Auf ein Glas mit….“
Do 14.11., 19 Uhr, 10 € inkl. Eintritt und ein Getränk
Auf ein Glas mit Dr. Jürgen Lenssen (Kurator)
Do 5.12., 19 Uhr, 10 € inkl. Eintritt und ein Getränk
Auf ein Glas mit Thomas Hildenbrand (Künstler) und Martin Bühner (Künstlerischer Leiter an der Staatl. Berufsfachschule für Bildhauer in Bischofsheim/Rhön)
Do 23.1., 19 Uhr, 10 € inkl. Eintritt und ein Getränk
Auf ein Glas mit Thomas Hildenbrand (Künstler), Dr. Jürgen Lenssen (Kurator) und Kurt Mühlfeld-Hemprich (Galerie Mühlfeld + Stohrer, Frankfurt)
Für alle! Öffentliche Führungen durch die künstlerische Welt von Thomas Hildenbrand
2,50 € zzgl. Eintritt.
Do, 24.10., 19 Uhr
So, 3.11., 14.30 Uhr
So, 1.12., 14.30 Uhr
Offenes Atelier – Junge Leinwandhelden gesucht! 2,50 € (inkl. Eintritt).
So, 3. November, 14.30 bis 16.30 Uhr
So, 1. Dezember, 14.30 bis 16.30 Uhr
So, 5. Januar, 14.30 bis 16.30 Uhr