Zur Ausstellung von Thomas Hildenbrand in der Kunsthalle Schweinfurt
Nach der Einführungsrede von Dr. Jürgen Lenssen anlässlich der Vernissage am 10. Oktober 2024
Vor drei Jahren wurde dem Bildhauer und Maler Thomas Hildenbrand von der Jury der 5. Triennale Franken, die das Motto „Wahrheit“ hatte, der erste Preis zugesprochen. Mit dem Preis war eine Einzelausstellung verbunden, die am 11. Oktober 2024 eröffnet wurde.
Der Titel der Ausstellung „Grenzüberschreitung – plastisch“ entstammt einer Idee des Kurators Dr. Jürgen Lenssen, denn Hildenbrand lenkt in seinen Werken den Blick des Betrachters über jede Vordergründigkeit oder Oberflächlichkeit hinaus auf Wirklichkeiten, die mehr erahnbar als greifbar sind; Wirklichkeiten, die die Sicht auf die eigene Person sowie das Leben ebenso erfassen, wie ihr Dasein in uns und um uns. Es geht bei der Betrachtung der Werke also insbesondere auch um einen spirituellen Ansatz, auf den sich der Künstler mit seinen Arbeiten empathisch einlässt.
Bei aller vor Augen gestellten Körperlichkeit sind die Kunstwerke von Thomas Hildenbrand weit mehr als Schauobjekte. In ihrer Betrachtung verspürt man eine Annäherung an die sie beseelende innere Kraft, die jenseits aller formalen Eingebundenheit ein Staunen im Betrachter weckt, in dem sein Werk als Wahrnehmung des unsererseits nicht Fassbaren, nicht Verfügbaren seine Empfindung findet.
Indem der Künstler mit seinen Arbeiten diesen Zugang wie diesen Wahrnehmungsprozess in uns ermöglicht und hierfür in uns eine zu folgende Spur legt, eröffnet er uns die Möglichkeit, die uns einbindenden äußeren, vor allem inneren Grenzen zu überschreiten, also von der Immanenz zur Transzendenz zu gelangen. Zu diesem Prozess heben Menschen vor allem verbal an, so zum Beispiel im Bereich einer Glaubensverkündung. Das gesprochene Wort reicht aber nicht zur notwendigen und belebenden Grenzüberschreitung aus.
Das nicht Sagbare, welches sich in unseren versuchten äußerlichen Annäherungsprozessen entzieht und im ausgesprochenen Wort seinen Ausdruck nicht findet, macht sich erahnbar in bildnerischen, in künstlerischen Ansätzen, wie sie sich in dieser Ausstellung vor Augen stellen und davon bestimmt sind, die eigenen Erfahrungen des Menschseins als Anstoß zu einem dessen Begrenztheiten überschreitenden Ausblick zu erkennen, wohnt doch allen Kunstwerken inne, dass deren Schöpfung aus der persönlichen Sichtnahme des Lebens der Künstlerinnen und Künstler heraus ebenso erwachsen sind wie deren Erahnung der Dimension des Lebens, fernab aller Einengung auf Zeit und Raum und unabhängig von menschlicher Schwachheit.
Hierauf hat sich Thomas Hildenbrand in seinem künstlerischen Schaffen in den verschiedensten thematischen Ansätzen ganz und gar eingelassen, darauf verweist Kurator Dr. Jürgen Lenssen in der Konzeption und Präsentation seiner Werke. Er ließ sich hierbei zum einen von Ausführung und Titeln leiten, wie auch davon, einzelne Gruppierungen in Inhalt und Gestaltannahme vorzunehmen.
Darüber hinaus wollte er in der Präsentation ansichtig werden lassen, wie der Künstler sich der jeweiligen Thematik nicht nur in der Plastik, sondern vorerst skizzenhaft und auch malerisch annähert, was deutlich werden lässt, welche inneren Wahrnehmungen und Erfahrungen er aufgreift und ins Bild setzt.
Die in den Ausstellungsraum Eintretenden sehen rechter Hand zunächst zwei Zeichnungen auf Papier und einen Kopf, ausgeführt, wie man es von einem Bildhauer erwartet – vom gezeichneten Entwurf hin zur dreidimensionalen Ausführung, wie es Thomas Hildenbrand in seiner Ausbildung an der Berufsfachschule für Holzbildhauer in Oberammergau gelernt hat.
Daneben befindet sich eine Arbeit, die einen Menschen zeigt, der sich aus dem herauswindet, was ihn umschließt, also einengt. Hier zeigt sich die Grundthematik des Künstlers, den Menschen zu sich selbst zu kommen, sich ebenso zu entdecken wie das, was ihm Leben und Lebensraum in der hierfür notwendigen Freiheit eröffnet – ohne aber einem Narzissmus zu huldigen, worauf die nächste Arbeit verweist, die zum einen Narziss und zum anderen dessen Spiegelbild zeigt, beide auf einem goldenen Boden stehend wie auch fallend, der sich als trügerisch erweist.
In den von Thomas Hildenbrand formulierten Titeln wie „Stürzende“, „Passion“, „Broken“ „Erwachender“, „Gekrönte Häupter“ „Flugtraum“, „Erwachender“ oder „Schwimmer“, stellt er sich ihrer inhaltlichen Aussage und schafft eine plastische Gestaltannahme.
Überraschend sind zwei Arbeiten mit gleichem Titel „Suchender König“, weil in unseren Köpfen die Mächtigen nicht als Suchende, sondern als Allwissende und alles zu Bewältigende mit daraus resultierenden Ansprüchen sehen.
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Der Künstler greift hier auf, was auf religiöser Ebene gültig ist: Der gläubige Mensch ist immer ein Suchender. Gott hat man nicht in der Tasche. Man darf ihn auch nicht instrumentalisieren und kann es auch nicht. Was man aber durch ihn erfährt, ist Befreiung.
Diese innere Freiheit und ihr Verlangen danach, haben zur Gestaltannahme der Werke „Flugstudien“ und „Spread your Wings – Breite deine Flügel aus“ geführt, in denen sich die Sehnsucht des Menschen schlechthin äußert, vielleicht gerade angesichts des Todes, welcher in den schwarzen Raben seine Boten hat, so die Arbeit mit dem Titel „Schwarm“, der aber zugleich bei dem Gekreuzigten in goldenem Rahmen seine Überwindung erfährt, worauf auch die beiden Arbeiten mit dem jeweiligen Titel „Phönix“ verweisen.
Auch hier wieder eine nochmalige bildnerische Aussage einer, vornehmlich erhofften Grenzüberschreitung, die Thomas Hildenbrand dem Betrachter vor Augen stellt, um diese dafür zu öffnen, was es zu erahnen, zu erhoffen und zu erkennen gibt, wofür er mit und in seinen Werken den Besuchern der Ausstellung eine Spur legt, die es aufzugreifen gilt und die aufgegriffen werden kann dank seiner Grenzüberschreitung – plastisch.
Die Ausstellung „Grenzüberschreitung – plastisch“ ist noch bis zum 26. Januar 2025 in der großen Halle der Kunsthalle Schweinfurt zu sehen; zeitgleich wird im Untergeschoss die Sammlung von Bozzetti, also Entwürfe und Modelle, präsentiert, die Thomas Hildenbrand im Frühjahr der Kunsthalle geschenkt hat, und an der sich der Weg vom Gedanken zur Form ablesen lässt. Im Museumsshop der Kunsthalle können zwei Kataloge über Thomas Hildenbrands Person und Werk erworben werden.
Am 14. November 2024 um 19 Uhr findet im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Auf ein Glas mit …“ ein Kunstgespräch mit dem Kurator Dr. Jürgen Lenssen in der Kunsthalle Schweinfurt statt. 10 € inkl. ein Getränk.