SchicksalsBegegnung – Die Kraft der Schmetterlinge

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Es ist der 17. April 2014. Ein angenehmer Frühlingstag. Meine Mutter ist mit meinem jüngsten Patenkind zu Besuch und wir warten gespannt auf den Anruf meiner Schwester. Sie will sich melden, sobald sie die Grenze aus der Schweiz nach Deutschland überschritten hat.
Sie lebt mit ihrer Tochter in der Schweiz. Da noch kein Krippenplatz zur Verfügung steht, ist die Kleine schon bei ihrer Oma zu Besuch. Und bei Oma ist sie sehr gut aufgehoben.
Nun endlich der sehnlichst erwartete Anruf. Sie ist in Deutschland an einem Rasthof angekommen. Nach einer Pause soll die Fahrt weitergehen. Vor allem die Kleine freut sich sehr auf ihre Mama.
Da dies der Tag meines Geburtstages ist, klingelt es immer wieder mal an der Türe und es trifft noch der ein oder andere Gratulant ein.
Nun, da sich der Tag dem Ende neigt, fahren Oma und Kind nach Hause. Meine zwei engsten Freunde, Marco und Michael, bleiben noch etwas, verabschieden sich dann aber auch.
Immer wieder versuche ich meine Schwester telefonisch zu erreichen – jedoch leider erfolglos. Doch ohne ein Wort von ihr wollte ich nicht einfach schlafen gehen. Ich ahnte nicht, was mir noch bevor stehen würde. Ich legte mich dann auf die Couch, denn sie versprach mir, unabhängig von der Uhrzeit, auf jeden Fall vorbei zukommen.
Es ist endlich soweit, es klingelt! Wie viel Zeit bis zum Klingeln verging, kann ich nicht beantworten … Freudig öffne ich, doch, wer steht in der Türe – ein junger sowie ein älterer Polizist.
Das Deja Vu … drei Jahre war ich jung, als unser Vater tödlich verunglückte.
Als ich die Polizisten als solche wahr nahm, dachte ich zuerst, dass etwas mit meinem Auto nicht ok sei, die Musik zu laut sei, und so weiter … Die beiden Herren baten um Zutritt und verlangten, dass ich mich setzen sollte Sie waren sehr nett und fingen vorsichtig an, mir von dem vorhergegangenen Unglück zu berichten. In diesem Moment brach ich zusammen. Es war, als würde mein Herz herausgerissen werden und darauf herumgetrampelt werden. Ein stechender Schmerz erfüllte meinen Brustkorb, es fehlte mir die Luft zum Atmen…es war für mich ein extremer Moment des Grauens, erfüllt von unendlichem bitteren Schmerz. Meine Schwester hatte keine Schuld, sie stand lediglich an einem Stauende und saß noch im Wagen, als ein anderes Fahrzeug ungebremst in das Stauende raste.
Im Polizeiwagen fuhr ich mit zu meiner Mutter. Meine Nichte schlief in dieser Nacht sehr unruhig. Die Verbindung von Müttern zu ihren Kindern ist besonders – das weiß jede Mutter.
Am nächsten Tag gingen wir mit meinem Patenkind zum Eis essen. Sie fragte ständig nach ihrer Mutter…ich musste immer wieder sagen, dass sie nicht mehr kommen wird und jedes Mal zerriss es mir wieder das Herz … Ich hatte die Aufgabe mich um den Papierkram zu kümmern und versuchte zuerst ihren Arbeitgeber im Internet ausfindig zu machen und zu informieren.
Als ich am Samstag die Tageszeitung aufschlug, war es direkt die Seite mit dem Unfallbericht. Es war so furchtbar, diese Bilder zu sehen. Ihre Sachen lagen verstreut in der Unfallstelle…mir wurde schlecht und ich musste bitterlich weinen. So gut es ging versuchte ich mich zusammenzureißen, denn ich lernte in dieser Zeit was es bedeutet, „wenn man nur noch funktioniert“ … Es war eine harte Zeit, geprägt von tiefer Trauer und vielen Tränen.
Meine Nichte hatte bis zu diesem Zeitpunkt keinen Kontakt zu ihrem Vater, da er sich nicht kümmerte. Doch ab diesem Tag war er dann für sie da.
Am Tag der Beisetzung regnete es fürchterlich. Meine Freundin fuhr uns zum Friedhof. Doch als die Urne in die Erde gelassen wurde, riß der Himmel plötzlich auf und die Sonne strahlte und lachte uns an. Es war ein kurzer Moment der Freude.
Es folgt eine Zeit des Trauerns, Funktionierens und vor allem aber als Stütze für meine Nichte. Aufgrund der extremen Umstände wurden uns gleich zwei Kindergarten-Plätze für sie angeboten. Das war super wichtig für die Kleine, zum einen Ablenkung und zum anderen natürlich um Freunde zu finden. Die Zeit im Kindergarten ist sehr gut und sie fühlt sich wohl.
Inzwischen ist es Ende Mai und die Wohnung in der Schweiz muss aufgelöst werden. Jedoch ohne mich – denn ich kann diese Wohnung nicht mehr betreten. Bis heute war ich nicht mehr in der Schweiz. Also blieb ich in meinem Elternhaus und kümmerte mich um meine Nichte. An dem Abend, als meine Mutter und die Helfer bereits in der Schweiz waren und Marissa schon schlief, saß ich noch eine Weile im Garten. Mein elterliches Grundstück ist sehr groß. Dass sich jedoch eine Eule darin aufhält, wusste ich nicht. Als ich mit einem Freund meiner Schwester also auf der Bank saß, flog diese Eule über unsere Köpfe und riß mir wenige Haare heraus.
Danach war sie weg und wir haben sie nie mehr gesehen.
Am nächsten Tag waren wir im Supermarkt und kauften für das Mittagessen ein. Als wir den Supermarkt verließen und zum Wagen gingen, setzte sich ein Schmetterling auf meine Nase. Er flog erst weg, als wir einsteigen wollten, drehte dann aber doch nochmal eine Runde um uns herum und flog erst jetzt seines Weges. Und so ging es weiter. Denn Schmetterlinge waren nun nicht mehr wegzudenken. Sie waren immer in Massen da, saßen auf meinen Armen und Beinen. Vor allem auch der Friedhof war mit ihnen übersät. Es ist auch den Personen, von denen ich umgeben war, aufgefallen. Sie übernachteten sogar in meiner Wohnung, um am nächsten Morgen wieder davon zu fliegen.
Die Kraft der Schmetterlinge
Kein Mensch weiß, was der Tod mit uns macht und wie es nach unserem Leben weiter gehen wird. Wir wissen nicht, ob die Seele weiterlebt oder es gar ein Parallel-Universum gibt. Aber wir sollten auf die kleinen Zeichen achten, welche wir wahrnehmen können. Denn ich persönlich finde die Vorstellung, dass ein geliebter Mensch auf eine andere Art und Weise weiterleben wird, sehr tröstlich. Es hilft mir doch sehr, das Geschehene in einem positiven Licht zu sehen und mich damit zu arrangieren. Ich hoffe, dass diese Worte auch anderen Menschen, die einen geliebten Menschen verloren haben, trösten können und Hoffnung geben können.
P. Lords