Fantastische Fabelwesen – zeitgemäß

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Matthias Plenkmann gastiert derzeit mit einer Soloschau im Rahmen der „Fantastischen Fabelwesen” im Museum Otto Schäfer. Der junge Essener Künstler erklärt im Interview geführt von Museumsleiter Jan Soldin, worum es bei seiner Kunst geht, was ihn an den Fabelwesen begeistert und wie er seine Position zwischen den Alten Meistern des Museums sieht.

JS: Lieber Herr Plenkmann, Sie haben derzeit eine Soloschau mit dem Namen „Vom Treibgesang aufsetzender Stelzvögel” im Museum Otto Schäfer. Was können wir uns unter diesem Titel vorstellen?

MP: Der Titel der Ausstellung spiegelt wieder wie ich Bilder finde. Es sind Versatzstücke verschiedener Eindrücke aus unterschiedlichen Kontexten. Der Treibgesang ist ein kurioses Wort, das es eigentlich nicht gibt. In der Google-Suche gab es nur eine Seite mit Treffern. Inzwischen sind es durch die Ausstellung im Museum Otto Schäfer zwei Treffer-Seiten. Die „aufsetzenden Stelzvögel“ vereinen zwei Themen, die mich interessieren. „Aufsetzend“ beschreibt einen Bewegungsmoment. Bewegung zu fixieren, sie festzuhalten, sie zu beschrieben, darum geht es mir sehr oft in meinen Werken. Die „Stelzvögel“ spiegelen eine Frage, die sich unter anderem auch John Berger gestellt hat: Warum sehen wir Tiere an? Berger beschreibt ja das Verschwinden der Tiere aus dem alltäglichen Leben der Menschen und wie diese Tiere erneut hinter Glas in Zoos auftauchen. Seither hat sich das Verschwinden von Tieren ja leider potenziert. Das Auftauchen hinter Glas hat sich allerdings auch enorm gesteigert. Heute schauen wir uns Tier oft über die Displays unsere Smartphones an. Wir begegnen ihnen also nicht mal mehr in einem gemeinsamen physischen Raum. Diese Art des Anschauens prägt unsere Vorstellung vom Wesen der Tiere, wie sie agieren und wie wir uns zu diesen Kreaturen verhalten.

JS: Die Ausstellung steht ja im Zusammenhang mit den „Fantastischen Fabelwesen – aus fünf Jahrhunderten“, die das Museum aktuell präsentiert. Was reizt Sie denn an diesen Wesen? Wie beeinflussen sie Ihre Kunst?

MP: Mich beschäftigt die Frage, wie haben sich Menschen durch die Geschichte hindurch bis heute Tiere vorgestellt, denen sie nie begegnet sind. Darüber bin ich zum Bestiarium gekommen. Bestiarien sind mittelalterliche Tierbücher in den Tiere häufig allegorisch gedeutet werden. Dort versammeln sich solche Tiere, die es tatsächlich gibt, aber eben auch bloß vorgestellte, fantastische, legendäre Tierwesen. Mich bannt die körperliche Andersartigkeit der dort dargestellten Tiere, ihre riesigen Köpfe mit Hörnern, ihre wendigen Fischkörper, Muskelberge die reine Stärke vermitteln oder auch das Filigrane einiger Kreaturen. In diesen Büchern hat sich viel durch unreflektierte Weitergabe verselbstständigt. Bestimmte Vorstellungen vom Aussehen und Verhalten der Tierwesen haben sich in den Büchern selbst entwickelt. Diese Vorstellung sind in gewisser Weise fantastisch. Es ist natürlich toll, in der Ausstellung diese Tiere in Originalbüchern und Druckgraphiken wieder zu entdecken, häufig habe ich sie selbst ja auch nur auf dem Display oder in Faksimile vorliegen gehabt. Meine Werke direkt neben den originalen Vorlagen zu sehen, ist ein großes Geschenk und unheimlich anregend für neue Arbeiten.

Ein Faun „spitzt“ in dieser Keramik Matthias Plenkmanns aus dem Boden und verbeißt sich.
Neben Druckgraphiken sind auch Zeichnungen und Plastiken des Künstlers zu sehen.
Foto: Museum Otto Schäfer / Jan Soldin

JS: Sind Sie ein klassischer „Fantasy-Nerd”?

MP: Ich würde nicht sagen, dass ich ein klassischer„Fantasy-Nerd” bin. Wenn man in den 90ern und Nullerjahren aufgewachsen ist, war es schwer um Harry Potter, Herr der Ringe sowie Pokémon und Co herum zu kommen. Fantasy hat mich also beeinflusst. Science-Fiction hat mich aber mehr gereizt: Diese Möglichkeiten unter anderen Bedingungen, dieser Draht zu Wirklichkeit der in SciFi oft existiert. Wirklichkeitsbezug ist mir auch in meiner Arbeit wichtig. Um Tiere ganzheitlicher fassen zu können, suche ich sie an der Orten ihres Vorkommens auf.

JS: Zurück zur Kunst: Zwischen historischen Druckgraphiken des Hauses hängen nun auch Ihre teils digital-gestützten Radierungen. Wie hat sich die Technik denn weiterentwickelt? Was unterscheidet sie von der Druckkunst der nebenan gezeigten Alten Meister wie Albrecht Dürer?

MP: Die digital gestützten Radierungen sind Fotoradierungen. Die Fotoradierung ist ein Verfahren, was es schon einige Jahrzehnte gibt. Es bringt die Radierung in die Nähe vor allem von analogen Schwarz-Weiß-Fotografien. Es gibt großartige künstlerische Positionen, die das Verfahren auf unterschiedliche Weise nutzen. Ich nutze das Verfahren aber nicht um in die Nähe von Fotografie zu kommen, sondern um meine digitalen iPad-Zeichnungen wieder in Materialität zu überführen.

Auch ich beobachte Tiere über Displays. So nutze ich neben eigenen Zeichnungen auch viel Found-Footage, dass ich abfotografiere und digital überzeichnen. Das geht sehr gut mit bestimmten Zeichen-Apps. Die Apps ermöglichen Verformungen, schnelle Wiederholungen durch Copy&Paste und Verflüssigungen, die händisch in dieser Form einer großen Planung vorab bedürfen und meinem prozesshaften Vorgehen völlig entgegenstehen würden. Dies ist ein Aspekt der meine Arbeiten von denen Dürers unterscheidet. Die alten Meister und ihre Gehilfen mussten planvoller arbeiten, da sie unter anderem an Bildprogramme gebunden waren, Drucke arbeitsteilig gefertigt wurden und natürlich auch weil ihnen nicht so schnelle Medien wie iPads zur Vorarbeit zur Verfügung standen. (lacht)

JS: Was möchten Sie den Betrachter/innen Ihrer Kunst mit auf den Weg durch Ihre Ausstellung geben?

MP: Sich Zeit zum nehmen. In den Werke der Doppelausstellung gibt es viel zu entdecken. Man muss man sich regelrecht reinsehen, weil es auf manchen Bildern von Kreaturen regelrecht wimmelt. Neben vielen tollen Bilderlebnissen, gibt es auch hochinteressante Ausstellungstexte und eine sehr überzeugende Szenografie. Nichts zum Durchrauschen, sondern zum Verweilen.

Die Ausstellungen „Fantastische Fabelwesen. Beispiele aus fünf Jahrhunderten“ läuft über den Sommer bis zum 15. Oktober 2023. „Matthias Plenkmann. Vom Treibgesang aufsetzender Stelzvögel” ist bis 30. Juli 2023 zu sehen.

Das Museum Otto Schäfer ist jeweils von Dienstag bis Sonntag sowie an Feiertagen von 13 bis 17 Uhr geöffnet.

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